Shopify: Das Betriebssystem des E-Commerce

Written by on 03/12/2020 in brand eins with 0 Comments

Wer im Netz einkauft, nutzt wahrscheinlich Shopify. Meist ohne es zu merken. Das Unternehmen treibt den E-Commerce mit Macht an – und kommt nun aus der Deckung.

Abos

Das Grundprinzip von Shopify ist „Software as a Service“, also ein Abo: Wer im Internet etwas verkaufen will, kann sich auf der Plattform der Firma unkompliziert einen Shop zusammenklicken und diesen nach eigenen Wünschen gestalten. Solange der Shop dann online ist, zahlt der Händler je nach Größe eine monatliche Gebühr, die von 29 Dollar pro Monat bis zu mehreren Tausend Dollar reicht. Zusätzlich bietet Shopify noch andere Dienstleistungen an, von Zahlungsabwicklung ( > Payment) über die komplette Versandlogistik ( > Dropshipping) bis zur Gestaltung oder Beratung durch die Vermittlung von Freelancern ( > Marktplatz).

Bekanntheit

Jeder Onlinehändler kann seinen Shop gestalten, wie er will, und ist nicht verpflichtet anzuzeigen, dass Shopify hinter dem Angebot steckt. Von der Riesenbrauerei Budweiser über den Verlag Penguin Books und das Wirtschaftsmagazin »Economist« bis zum Autohersteller Tesla nutzen zahlreiche bekannte Marken Shopify, um ihre Waren online zu verkaufen. Sichtbar ist das selten. Aus diesem Grund ist die Marke vor allem unter Herstellern und Händlern bekannt. Das könnte sich aber ändern. Denn im April 2020 hat das Unternehmen seinen eigenen Onlineshop eröffnet. Der Name ist so simpel, wie er nur sein kann: „Shop“. Mit diesem macht die kanadische Firma nun zunehmend dem weltweit größten E-Commerce-Anbieter > Konkurrenz: Amazon.

Corona

Die Pandemie und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens haben den Onlinehandel noch stärker wachsen lassen als schon zuvor. Auch der Konzern profitiert von diesem Boom: Im ersten Quartal 2020 haben Shopify-Händlerinnen und -Händler Waren im Wert von 17,4 Milliarden Dollar verkauft – 46 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit nicht nur die Zahl der Kunden steigt, sondern auch die der Shops, hat die Firma neuen Händlern von März bis Juni die Gebühren für ihr > Abonnement erlassen.

Dropshipping

Der große > Erfolg hat viel mit dem Siegeszug des sogenannten Dropshippings zu tun. Dropshipping – auf Deutsch oft Direktversand genannt – bedeutet, dass der Händler, der ein Produkt im Netz verkauft, dieses nicht vorrätig halten muss. Er gibt die eingehenden Bestellungen nur an ein Großhandels- oder Logistikunternehmen weiter, das die Ware dann an die jeweiligen Kunden ausliefert. Meist ohne dass diese das mitbekommen. Vorteile von Dropshipping sind geringer Kapitaleinsatz und niedriges Risiko durch entfallende Lagerhaltung und Ladenhüter. Nachteile: Da der Versand ausgelagert ist, hat der Händler keine Kontrolle über Pünktlichkeit und Zustand der Ware, was für unzufriedene Kunden sorgen kann. Auch Fragen zu Steuern oder Produkthaftung sind komplizierter, als manche Kleinunternehmer denken, die mit diesem Geschäftsprinzip auf die Schnelle reich werden wollen ( > Nachschub).

Erfolg

Mit einem Börsenwert von mehr als 112 Milliarden Dollar ist Shopify ungefähr so viel wert wie Volkswagen und BMW zusammen. Dem aus Koblenz stammenden Gründer Tobias Lütke gehören noch 6,5 Prozent des Unternehmens, was ihn laut „Bloomberg Billionaire Index“ zu einem der 20 reichsten Deutschen macht. Mit Shopify war Lütke zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Er profitierte vom gigantischen, seit zehn Jahren andauernden Boom des Onlineshoppings. Und er erkannte das große Potenzial von Onlinemarktplätzen in der digitalen Plattformökonomie. So wie Google und Facebook Milliarden verdienen, indem sie Werbekunden und Internetnutzer zusammenbringen, hat es Shopify geschafft, ein System rund um den Onlinehandel aufzubauen. Das Unternehmen bringt unter anderem Hunderttausende Händler mit zahlreichen Logistikdienstleistern zusammen. Diese sogenannten Third Party Logistics Providers (3PL) helfen unter anderem beim > Dropshipping. Ben Thompson, Experte für digitale Geschäfts- modelle formuliert es so: „Shopify tut das, was Plattformen am besten können: als Schnittstelle zwischen zwei kleinteiligen Ebenen einer Wertschöpfungskette zu fungieren.“

Dass Shopify hohe Verluste macht – 2019 allein 125 Millionen Dollar – scheint die Investoren nicht zu beunruhigen. Womöglich sehen sie den Konkurrenten Amazon als Vorbild: Auch dort gab es die ersten 20 Jahre nur selten ein Quartal mit nennenswertem Gewinn. Wie Amazon investiert Shopify einen Großteil seiner Einnahmen, sei es in den Kauf von Unternehmen wie 6 River ( > Logistik) oder in die internationale Expansion. Bislang verdient Shopify drei Viertel seines Geldes in Nordamerika.

Garage

Wie so viele Internet-Erfolgsgeschichten beginnt auch diese in einer Garage. Tobias Lütke wird 1981 in Koblenz geboren. Er ist ein schlechter Schüler, aber ein leidenschaftlicher Programmierer und Computerspieler. Nach einer Ausbildung zum Fachinformatiker wandert er 2002 nach Kanada aus, nachdem er sich dort beim Snowboarden in eine Frau verliebt hat, die er über ein Online-Computerspiel kennengelernt hat. In der neuen Heimat beginnt er mit einem Freund aus einer Garage heraus, Snowboards im Netz zu verkaufen. Da ihm die verfügbaren ShopSysteme nicht gefallen, programmiert er sein eigenes. Als er merkt, dass diese Software viel gefragter ist als seine Snowboards, ist das der Beginn seiner unternehmerischen Karriere.

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Text: Christoph Koch
Foto: Roberto Cortese / Unsplash

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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