Was wäre, wenn … Chinas Wirtschaft nicht mehr wüchse?

Written by on 16/06/2019 in brand eins with 0 Comments

Ein Szenario.

Andere Folgen der „Was wäre, wenn…?“-Kolumne aus brand eins HIER lesen.)

Etwa 30 Jahre lang schaute die Welt gebannt auf das exorbitante Wachstum der Volksrepublik China. In manchen Jahren vergrößerte sich die dortige Volkswirtschaft um 14 Prozent. Beobachter begannen, von einem „chinesischen Jahrhundert“ zu sprechen, das Land sei im Begriff, die USA bei der globalen Vorherrschaft abzulösen. Der Nobelpreisträger Robert W. Fogel prognostizierte 2007 beispielsweise, dass die chinesische Wirtschaftsleistung bis zum Jahr 2040 auf 123 Billionen Dollar ansteigen würde – etwa das Sechsfache der aktuellen US-Ökonomie und dreimal so viel, wie Fogel für die USA im Jahr 2040 voraussagte.

Die Wirklichkeit zeigt inzwischen jedoch ein anderes Bild: Chinas Wirtschaft wächst jedes Jahr weniger. Waren es im vergangenen Jahr noch 6,6 Prozent, stellte Ministerpräsident Li Keqiang für 2019 erneut niedrigere Zahlen in Aussicht. Was wäre nun, wenn die Zuwächse immer weiter abnähmen? Wenn Chinas Wirtschaft irgendwann gar nicht mehr wüchse?

Zum einen würde die gesamte Welt in Mitleidenschaft gezogen: China ist mit rund 13 Billionen Dollar die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde und für rund ein Drittel des globalen Wachstums verantwortlich. Fiele diese Konjunkturlokomotive aus, könnte das zahlreiche andere Länder in eine Rezession stürzen. Bereits ein Rückgang des chinesischen Wachstums auf 2,4 Prozent würde das Bruttoinlandsprodukt der USA innerhalb von zwei Jahren um 1,5 Prozent schrumpfen lassen, so eine Studie von Bloomberg Economics. Auch für Russland fiele ein wichtiger Markt für seine Rohstoffexporte weg. Ebenso würden wichtige Handelspartner wie Singapur und Hongkong sowie Zulieferländer wie Taiwan und Thailand unter der Schwäche Chinas leiden.

Auch Deutschland wäre stark betroffen: China ist für die Bundesrepublik seit 2016 der wichtigste Handelspartner – und Deutschland wiederum der wichtigste europäische Handelspartner für die Volksrepublik. Besonders die heimische Automobilindustrie ist abhängig vom chinesischen Markt: Volkswagen zum Beispiel verkauft inzwischen fast die Hälfte seiner Autos ins Reich der Mitte, rund vier Millionen pro Jahr. Audi, BMW und Daimler kommen zusammen auf etwas weniger als zwei Millionen.

Selbstverständlich wären die Auswirkungen auch in China groß: Denn die Macht einer der letzten kommunistischen Regierungen steht und fällt ironischerweise mit dem Erfolg des dortigen Staatskapitalismus. „Ein starkes und stabiles Wirtschaftswachstum ist für die Kommunistische Partei Chinas und die Regierung der Volksrepublik extrem wichtig“, sagt Anna Holzmann vom Mercator-Institut für Chinastudien. Das erkenne man am aktuellen Fünf-Jahres-Plan, der für das Jahr 2020 eine Wirtschaftsleistung vorsieht, die doppelt so groß ist wie die von 2010. Ebenso zeige sich dieser Anspruch am sogenannten 100-Jahr-Ziel zum 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei im Jahr 2021. Sollte das Wirtschaftswachstum zum Erliegen kommen, so Holzmann, bedeutete dies eine schwere Legitimitätskrise für die chinesische Führung. „Es wäre außerdem deutlich schwieriger, das Wohlstandsniveau des Einzelnen zu halten.“

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Foto: Ralf Leineweber / Unsplash

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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