Das Gitarrengeschäft

Written by on 27/03/2006 in jetzt.de, Süddeutsche with 0 Comments

Ben mag Musik: Er hat Aktien seiner Lieblingsband gekauft

Das Aktienzertifikat hängt eingerahmt im Flur von Bens Wohnung. „Meine Freundin war zuerst nicht sonderlich begeistert“, erzählt der 28-jährige IT-Manager aus Leeds. „Wir hatten das Geld eigentlich für einen Urlaub und eine neue Küche eingeplant.“ Doch dann hat Ben die 2400 Pfund (rund 3500 Euro) für Aktienanteile an seiner Lieblingsband ausgegeben.

Bens Lieblingsband heißt Four Day Hombre und es ist keine Schande, bislang noch nichts von ihnen gehört zu haben. Denn die Band aus Leeds, der Stadt der Kaiser Chiefs, hatte bislang keinen Plattenvertrag. Da ihnen kein Label ein Angebot machte, bei dem die Indiepopper die volle künstlerische Kontrolle behalten hätten, entschlossen sie sich, das zu tun, was große Firmen andauernd machen: Aktien zu verkaufen.

„Ich hatte sie auf einen Konzert gesehen, war Fan geworden und stand auf ihrer Mailingliste“, erzählt Bandaktionär Ben. „Als sie vergangenes Jahr eine Mail rumschickten und die Idee mit den Aktien erklärten, dachte ich nur: was für Spinner.“ Trotzdem ging er zu dem Treffen, bei dem die Band sich und das Aktienkonzept vorstellte. Eine nächtliche Diskussion mit seiner Freundin später war Ben im Boot. Über 30 weitere Fans entschieden sich, ihrer Band zu helfen und investierten zwischen 1000 und 15 000 Euro. Insgesamt kamen knapp 120 000 Euro zusammen – genug um das Label Alamo Music zu gründen, das als erstes einen Vertrag über drei Alben mit der Band abschloss. Die ging anschließend ins Studio und nahm das gerade erschienene Debütalbum „Experiments In Living“ auf. „Wie Elbow mit größeren Bärten und besseren Träumen“, urteilte das Musikblatt NME und die Zeitung The Sun sieht die Band irgendwo zwischen Coldplay und Radiohead.

Roo Pigott, 34, der das Alamo-Label von Sheffield aus leitet, hat selbst Aktien im Wert von 4300 Euro gekauft. „Dass ich meinen gutbezahlten Job als Berater in der Musikindustrie aufgegeben habe, ist eigentlich die größere Investition“, erklärt er. „Aber ich glaube einfach an die Band – und was wir geschaft haben, fühlt sich großartig an.“ Wenn sich die Platte so gut verkauft, dass das Label Geld erwirtschaftet, werden die Aktionäre ausbezahlt, „sogar noch bevor die Band auch nur ein Pfund sieht“, rechnet Roo vor. Aber für die meisten Fans geht es gar nicht so sehr darum, wie viel Gewinn sie am Ende machen. Ihnen ist wichtig, dass die Welt die Musik ihrer Lieblingsband hören kann. Die Musik, die sie schon lange begeistert, zu der sie tanzen, knutschen und Auto fahren. „Ich bin mit dem klaren Wissen in die Sache gegangen, dass das Geld komplett futsch sein kann“, sagt Ben. „An manchen Tagen ärgere ich mich, das Geld investiert zu haben. Aber es gibt auch Tage, da wünsche ich mir, mehr reingesteckt zu haben. Vermutlich ist das bei jedem Investment so.“

Vergangene Woche war das Album von Four Day Hombre direkt nach Erscheien an manchen Orten bereits ausverkauft. Die Geschichte mit den Aktien ist auch eine gute Werbung. Wenn alles gut läuft und Four Day Hombre nur ein kleines bisschen so berühmt werden wie Coldplay, bekommt Ben sein Geld zurück – und einen Bonus dazu: „Vielleicht gibt es dann auch endlich eine neue Küche.“

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About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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