Ein Szenario.
In Dänemark kündigte kürzlich der Dienstleister Postnord an, von 2026 an keine Briefe mehr zuzustellen. Begründet wurde die Entscheidung mit dem Wandel zur digitalen Kommunikation. Wäre ein solcher Schritt auch in Deutschland denkbar?
In Dänemark ist die Zahl der verschickten Briefe seit dem Jahr 2000 um 90 Prozent gesunken. Damit gingen Preiserhöhungen und längere Sendezeiten einher. Zuletzt kostete ein Brief, der bis zu fünf Tage unterwegs sein durfte, umgerechnet rund vier Euro Porto.

Das Buch
“Was wäre, wenn…?
33 Szenarien, die unsere Welt neu denken”
jetzt bestellen!
In Deutschland werden ebenfalls weniger Briefe geschrieben. Im vergangenen Jahr wurden rund 12,2 Milliarden verschickt – 23 Prozent weniger als fünf Jahre zuvor. Neun Prozent der Deutschen gaben in einer Befragung an, in den vergangenen zwölf Monaten keinen einzigen Brief als Privatperson verschickt zu haben. Darunter fielen auch solche an Firmen oder an Ämter.
Die Deutsche Post (inzwischen offiziell: DHL Group) ist ein sogenannter Universaldienstleister. Damit ist sie gesetzlich dazu verpflichtet, grundlegende Postdienstleistungen flächendeckend für alle Bürgerinnen und Bürger anzubieten. Auch Postnord in Dänemark war ein solcher Dienstleister. Er wurde aber vom Verkehrsministerium von dieser Aufgabe entbunden, um sich auf Pakete zu konzentrieren. Auch wenn es in mancher Nachrichtenmeldung anders klingt, werden die Dänen dennoch weiterhin Briefe versenden können: Ein dänisches Privatunternehmen wurde als neuer Universaldienstleister verpflichtet.

Was würde passieren, wenn die Deutsche Post ihre Dienste nicht mehr flächendeckend anböte? „Dann wäre die Bundesnetzagentur verpflichtet, einen neuen Universaldienstleister zu suchen“, sagt Klaus Gettwart, Vorsitzender des Deutschen Verbands für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation. Der Haken an der Sache: Aktuell gebe es keine andere deutsche Firma, die das Volumen an Postsendungen abwickeln könnte. „Wenn es irgendwann mal so wenig Briefe wären wie derzeit schon in Dänemark, könnte das eventuell auch ein anderes Unternehmen leisten.“
Die Deutsche Post dürfte aktuell kein Interesse daran haben, ihre Rolle aufzugeben. „Die Zahl der Briefe mag sinken – aber die Post verdient damit immer noch rund 700 Millionen Euro pro Jahr“, sagt Gettwart. Preiserhöhungen seien zwar von der Bundesnetzagentur genehmigungspflichtig, aber im Grunde sei sichergestellt, dass die Post als Universaldienstleister Gewinn macht.
Sendungen von Privat an Privat machen heute nur noch rund ein Prozent ihres Briefgeschäfts aus, der allergrößte Teil entfällt auf die Kommunikation von Behörden und Firmen. Vor allem diese bräuchten vor einer Abkehr vom Brief einen digitalen Ersatz. So gibt es in Dänemark ein verbindliches digitales Postfach, für das sich alle Bürgerinnen und Bürger registrieren müssen. Mit diesem können sie dann rechtsverbindlich kommunizieren, sei es mit dem Finanzamt oder ihrer Versicherung. Ihr Postfach müssen sie regelmäßig prüfen, per SMS oder E-Mail können sie sich über neue Mitteilungen benachrichtigen lassen. „Solange wir in Deutschland kein solches digitales System haben, wird der Brief nicht so stark an Popularität verlieren und damit auch die flächendeckende Zustellung lukrativ bleiben“, so Gettwart.
Das sei auch wichtig, denn ein privates Unternehmen ohne Pflicht zum Universaldienst könnte die Städte bevorzugen und abgelegene Dörfer benachteiligen.
Weiterlesen auf brandeins.de …
Text: Christoph Koch
Foto: Ibrahim Rifath auf Unsplash