Was wäre, wenn … Abgeordnete per Los bestimmt würden?

Written by on 02/05/2025 in brand eins with 0 Comments

Ein Szenario.

Wahlplakate, Fernsehduelle, Koalitionsspekulationen – die Wahlkampfrituale sind bekannt und abgenutzt. Doch was wäre, wenn politische Ämter nicht durch Wahlen, sondern durch Losverfahren vergeben würden? Wenn alle vier Jahre eine zufällig getroffene Auswahl von Bürgerinnen und Bürgern bestimmt würde, die dann über die Geschicke des Landes entscheidet?

Die Idee solcher Losverfahren, auch aleatorische Demokratie oder Demarchie genannt, mag gewagt scheinen, ist aber nicht neu. Bereits im antiken Griechenland wurde nur ein kleiner Teil der politischen Ämter durch Wahlen besetzt. Die meisten Posten wurden – wie auch in mittelalterlichen Stadtstaaten wie Florenz oder Bologna – per Los vergeben. Eine reine aleatorische Demokratie existierte allerdings nie.


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„Die Demokratie gibt es seit 3.000 Jahren. Wir wählen aber erst seit 200 Jahren“, sagte der belgische Historiker David Van Reybrouck in einem Radiointerview. „Ich finde es seltsam, dass wir dennoch Wahlen mit Demokratie gleichsetzen.“ Van Reybrouck plädierte bereits 2016 in seiner Streitschrift „Gegen Wahlen“ für die Losdemokratie: Dank ihr träfe keine politische Elite Entscheidungen, sondern ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung. Nach Van Reybroucks Idealvorstellung bekämen die ausgelosten Abgeordneten genug Zeit und Informationen, um sinnvolle Beschlüsse erarbeiten zu können. Im Gegensatz zu Berufspolitikern müssten sie sich zudem keine Gedanken um eine Wiederwahl machen. So könnte eine Regierung über die üblichen vierjährigen Legislaturperioden hinausdenken.

Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, ist nicht davon überzeugt, dass Ausgeloste automatisch mehr Verantwortungsbewusstsein und Weitsicht besitzen. „Statt Gedanken um die Wiederwahl plagt sie womöglich ein Geltungsbedürfnis.“ Außerdem prallten in einem Zufallsparlament Meinungen vollkommen unvermittelt aufeinander. „Die wichtige integrative Funktion von Parteien und Fraktionen ginge verloren“, sagt Münch. „Diese bündeln nämlich ähnliche Ansichten und machen Politikerinnen und Politikern klar, dass es immer um Kompromisse und Aushandeln geht statt darum, radikale Positionen durchzudrücken und Andersdenkende zu bekehren.“

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Text: Christoph Koch
Foto: Hansjörg Keller auf Unsplash

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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