Luxustrend Outdoorküche: Achtung, jetzt koche ich!

Written by on 26/08/2025 in Die Zeit with 0 Comments

Rennrad und Siebträgermaschine, schön und gut. Heute braucht der Mann über 50 auch eine anständige Outdoorküche. Selbst Ikea hat ein Modell für Dauergriller im Angebot.

Ein Mann steht im Morgenlicht auf seiner Terrasse, vor ihm ein Swimmingpool und ein schwarzer Küchenblock. Grau melierter Fünftagebart. Hochgekrempelte T-Shirt-Ärmel betonen muskulöse Oberarme. In jeder Hand hält er ein Ei. Knack, die Schale bricht, gekonnt lässt er das Innere auf eine Grillplatte gleiten. 

Schnelle Schnitte, Mittagssonne, jetzt gibt es auf der Terrasse Burger – und Grillschürze statt morgendlichem Yogalook. Bam, zisch! 

Abendlicht. Mit weit aufgeknöpftem Hemd wirft der Poolbesitzer nun einen Fisch auf die Grillplatte und schleudert betont lässig Salz darüber. Im Hintergrund sitzen Gäste unter einer Lichterkette. Mit geschlossenen Augen genießt der Outdoorkoch schließlich mit den Gästen seine letzte Kreation des Tages: ein Crêpe – ebenfalls zubereitet vor akkurat gestutztem Rasen und minimalistischer Poolliege.

So sieht es aus, das gute Leben. Zumindest im Werbespot für die neue Outdoorküchen-Kollektion der Marke WMF. Denn Grillen – egal ob auf dem wackeligen Dreibein oder im noblen Napoleon-Modell – kann schließlich jede und jeder. Wer heute etwas auf sich hält, braucht eine ganze Küchenzeile im Garten. Mit Kühlschrank, Schränken für Teller und Gläser, Schubladen für Besteck und Gewürze und einem Waschbecken. Vielleicht sogar mit einem Pizzaofen oder einem eiförmigen Kamado-Grill, wie er in der japanischen Küche üblich ist.

Wer sich mit dem Thema beschäftigt, gewinnt schnell den Eindruck, dass jeden Monat ein neuer Hersteller eine Outdoorküchen-Kollektion auf den Markt bringt. „Die Arbeitswelt digitalisiert sich, der Alltag gestaltet sich immer virtueller – das triggert die Sehnsucht nach analogen Erlebnissen“, erklärt die auf Ernährung spezialisierte Trendforscherin und Beraterin Hanni Rützler aus Wien. „Und wenn die Terrasse groß genug ist, bauen sich spätestens seit Corona viele ihr Zuhause noch einmal draußen nach – von der Außendusche über die Gartencouch bis zur Outdoorküche.“

Wie groß der Markt für Outdoorküchen in Deutschland ist, lässt sich allerdings schwer sagen. Niemand will eine Schätzung wagen – es gibt zu viele kleine Anbieter, keinen Dachverband, und bei den großen Küchenherstellern sind die Varianten für Draußen allenfalls ein Teilgeschäft. Nur: Wie lange noch?

In den USA und Australien sind die Grenzen zwischen Drinnen und Draußen schon lange fließend: Gehobene Outdoorküchen, so die Idee, erweitern nicht nur den Wohnraum. Sie erlauben es (gutes Wetter vorausgesetzt), mehr Zeit im Garten zu verbringen und dort Familie und Freunde zu bekochen. 

Weitere Argumente aus dem Sales-Pitch: Es riecht drinnen nicht mehr tagelang nach beispielsweise Fisch. Wer Gäste hat, steht nicht am Herd, während diese im Wohnzimmer warten, sondern alle verbringen gemeinsam Zeit im Garten. Mit einer Überdachung und wetterfesten Materialien kann eine Outdoorküche sogar in kühleren Jahreszeiten genutzt werden und den Wohnraum erweitern. Und wer ohnehin viel draußen grillt, spart sich mit einer Outdoorküche viel Hin- und Herlaufen – egal ob der Salzstreuer oder Getränkenachschub geholt werden muss.

Produkt auf Erfolgskurs

Eine komplette Küchenzeile an der Außenwand oder sogar frei stehend im Garten – in Deutschland ist dieser Gedanke trotzdem eher neu. Pionierin der Branche hierzulande ist Nadine Pollex, die 2011 im schwäbischen Esslingen den ersten Outdoorküchen-Hersteller OCQ gründete. Ruft man Pollex an, klingt es, als habe sie drei bis acht Wellensittiche in ihrem Büro. Doch sie sitzt einfach nur in ihrer Ausstellungsfläche im Freien. Die Vögel um sie herum zwitschern in Freiheit. 

Pollex kommt ursprünglich aus der Touristik, leitete Reisebüros und organisierte Eventreisen. Doch als Onlinebuchungen immer mehr vom Geschäft wegfraßen, sah sie sich nach Alternativen um. „Ich suchte eine Produktidee, welche die Welt wirklich braucht. Etwas, das einfach herzustellen ist, das gute Margen bietet und sich einfach mit Patenten schützen lässt“, sagt sie. Und muss dann selbst lachen. „Mit Outdoorküchen habe ich das genaue Gegenteil gefunden. Aber Kochen ist nun mal meine Leidenschaft.“ 

Wahrscheinlich sind Outdoorküchen tatsächlich nicht das Produkt, auf das die Welt dringend gewartet hat. Doch OCQ ist auf Erfolgskurs. 2024 verdoppelte das Unternehmen den Umsatz nach eigenen Angaben, will konkrete Zahlen jedoch nicht nennen. Läuft 2025 so weiter, wird OCQ noch einmal wachsen. „Ich wäre schon zufrieden gewesen, wenn wir die guten Zahlen von 2024 gehalten hätten“, sagt Pollex vergnügt. 

Ihre Strategie: voll aufs Hochpreissegment setzen. Anfang 2023 unterzog sie OCQ einem Rebranding. Aus „Outdoor Cooking Queen“ wurde „Outdoor, Craftmanship und Quality“. Zudem hob sie die Preise an. Eine OCQ-Küche kostet inzwischen im Durchschnitt rund 30.000 Euro. Unter 20.000 geht es eigentlich nicht. Nach oben gibt es kein Limit. OCQ habe auch schon Küchen für 100.000 Euro verkauft, sagt die Gründerin. 

Wenn jemand drei wetterfeste Weinkühlschränke wolle, so wie ein gut betuchter Kunde neulich, dann seien die ersten 21.000 Euro eben schon auf der Rechnung. „Unsere erste Kollektion befand sich eher im mittelpreisigen Segment“, sagt Pollex. „Aber wir haben gemerkt, dass wir erfolgreicher sind, wenn wir hochwertigere Materialien und perfekte Individualisierung bieten – auch wenn wir dafür den doppelten Preis aufrufen müssen.“

Andere Hersteller tun sich schwerer, vor allem in den mittleren Preislagen. „Draußen“ sei es laut dem Fachmagazin Küchenplaner – unter anderem durch den Auftragsrückgang in Folge des Krieges in der Ukraine – „ungemütlich geworden“. So orientiere sich beispielsweise die Firma Burnout Kitchen aus dem niedersächsischen Bissendorf verstärkt in die USA. „Unser europäischer Minimalismus made in Germany kommt dort gut an“, sagt der Gründer und Geschäftsführer Daniel Joachimmeyer optimistisch. Gleichzeitig hat die Firma mit dem „Burnout Block“ ein Einsteigermodell auf den Markt gebracht, das schon ab 7.000 Euro erhältlich ist. 

Noch günstiger geht WMF ins Rennen. Die sonst für Pfannen und Küchenhelfer aller Art bekannte Firma bietet das Modell „Die Kompakte“ für 1.500 Euro an – allerdings als reine Unterschrankzeile ohne Grill, Kühlschrank oder andere Geräte. Und Ikea schickt seit 2021 die Outdoorküchenserie „Grillskär“ und seit 2024 die hochwertigere Serie „Båtskär“ ins Rennen. Bei der bekommt man schon für rund 1.200 Euro eine terrassentaugliche Küchenzeile mit Kohlegrill und Spüleinheit.

Bemerkenswert ist, dass es – mit Ausnahme von Allrounder Ikea – nicht die klassischen Küchenbauer sind, die sich hinauswagen auf die Terrasse. Stattdessen dominieren Spezialisten wie Burnout Kitchen, OCQ, Jokodomus oder Ofyr. Vereinzelt haben auch Firmen wie Steininger aus Österreich oder Alpes Inox und SapienStone aus Italien, die mit Stein und Edelstahl arbeiten, den Outdoormarkt für sich entdeckt. Immer häufiger kommen Grillhersteller wie Otto Wilde dazu, die ihr Sortiment um Küchenelemente erweitern.

Warum aber tun sich traditionelle Küchenhersteller so schwer?

Manchmal nutzen auch Ofen- und Kaminbauer ihre Expertise und die Gunst der Stunde. So wie Oliver Neugebauer aus dem Münsterland, der ursprünglich eine Ofensetzerei mit fünf Angestellten betrieb. Nachdem immer mehr Kundenanfragen in Richtung Outdoorküche gingen, gründete Neugebauer mit seinem Sohn Till und einem weiteren Kompagnon die Firma Freiluftküche. Auch sie will sich verstärkt im Luxussegment etablieren und ein Netzwerk an Fachhändlern ausbauen, das bisher von der Region Deutschland-Schweiz-Österreich über die Niederlande und Luxemburg bis nach Spanien reicht. In einem Immobilien-Podcast nennt Neugebauer noch ein weiteres Argument pro Terrassenkochzeile: Es handele sich um eine langlebige Anschaffung, in vielen Fällen sogar eine Investition. „Man kann so eine Outdoorküche durchaus mit einem Kamin oder einem Pool vergleichen“, sagt er. „Also ein Alleinstellungsmerkmal, das eine Immobilie auf jeden Fall aufwertet.“

Warum aber tun sich die traditionellen Küchenhersteller mit den Outdoorküchen so schwer? Für Nadine Pollex ist die Sache klar: „Der Markt ist einfach zu klein. Küchenmöbelproduzenten fertigen vom Basiskorpus bis zum Türbeschlag alles in gigantischen Stückzahlen und in Standardkonfigurationen. Und mit dem beschichteten Pressspan, dem gängigen Küchenmaterial, kommt man draußen auch nicht weit.“ 

Dabei könnten die Küchenbauer ein neues Geschäftsfeld gut gebrauchen. Nach einem Coronahoch herrscht derzeit Flaute: 2024 ging das Geschäft um sieben Prozent zurück, auch 2025 läuft bislang nicht sonderlich gut an. Die Gründe: zum einen die generelle Kaufzurückhaltung seit Russlands Überfall auf die Ukraine, zum anderen eine Mischung aus zu wenig Neubauten und hohen Mieten in den Städten: „In der Regel wird eine neue Küche gekauft, wenn ein Haus oder eine Wohnung Besitzer oder Mieter wechselt. Die Menschen ziehen aber derzeit weniger um“, sagt die Food-Expertin Hanni Rützler. Das mache den Küchenbauern zu schaffen: „Der mittlere Markt schmilzt beim Küchenbau in erschreckendem Tempo weg. Es bleiben der Billig- und der Luxusbereich.“ 

Zumindest in dieser Hinsicht ähneln sich also die Märkte der Indoor- und Outdoorküchen. Am oberen Ende OCQ und der dreifache Weinkühlschrank, am unteren die simplen Metallschränke von WMF. Dazwischen wird es eng. 

Ebenfalls auffällig: Während in klassischen Küchenprospekten fast immer Paare und Familien abgebildet sind, dominieren in den Werbematerialien für die Draußenküchen die Männer. Kernig-knuffige Typen mit Jeanshemd, Lachfalten und Flipflops. Keine Rentner, aber oft auch nicht mehr die Allerjüngsten. „Männer kochen nun einmal am liebsten, wenn andere dabei zusehen“, stellt Diplom-Psychologin und Trendexpertin Ines Imdahl vom Marktforschungsinstitut rheingold salon fest. „Outdoorküchen bieten nicht nur das Publikum, sondern auch eine gute Möglichkeit, Männlichkeit zu zeigen und gleichzeitig kultiviert rüberzukommen. Männer ringen derzeit ja um ihre Identität – und die Outdoorküchen sind gewissermaßen eine Kultivierung des Grillens.“

Mit Bratwurst und Nackensteak käme man da gleichwohl nicht mehr weit. Hochwertiges Fleisch oder Meeresfrüchte und Fisch müssten es schon sein, sagt Imdahl. Die landen dann auf der sogenannten Plancha, einer durchgehenden Grillplatte, die den schnöden Rostgrill ablöst und auch im erwähnten WMF-Spot ihren großen Auftritt feiert. Ausschließlich vegetarisches Grillen sei nach wie vor die Ausnahme, vor allem bei der etwas älteren Zielgruppe: „Die Klientel der Outdoorküchen geht bei etwa 50 Jahren los“, sagt Imdahl. „Die haben das Geld dafür, einen Garten statt nur einen Minibalkon und außerdem Spaß daran, so etwas zu planen.“ Mit Materialien wie Stein, Edelstahl oder robusten Harthölzern seien die Küchen ja nahezu unverwüstlich, sagt Imdahl. „Da kann man hinterher einmal mit dem Gartenschlauch drübergehen, und schon ist die Küche geputzt.“ 

Auch Hanni Rützler sieht den gut situierten Ü50-Mann als patient zerodes Outdoorküchenbooms: „Früher hätte sich so ein Mann, der 10 bis 15 Jahre vor der Pension steht, vielleicht eine Harley Davidson gekauft“, sagt sie. „Jetzt gönnt er sich eine teure Outdoorküche.“ Bestätigt wird er darin von Vorbildern wie David Beckham, der in der Netflix-Doku über ihn von seinem Sohn dafür belächelt wird, dass er jeden Samstag um sechs Uhr aufstehe, um das Feuer in seiner Outdoorküche anzufachen und dann den ganzen Tag darin herumzugrillen. Oder von Fine-Dining-Restaurants wie dem Ember in Berlin oder dem Intense in der Pfalz, die über offenem Feuer kochen.

Doch egal ob Mann, Frau oder Paar: Dass eine Outdoorküche jenseits aller praktischen Erwägungen manchmal auch als schieres Statussymbol angeschafft wird, sieht man daran, dass nicht in jeder dieser Küchen auch gekocht wird. „Ich kann mich an einen Kunden erinnern, der zwei Jahre nachdem wir ihm eine Outdoorküche installiert hatten anrief“, erzählt Nadine Pollex. „Er wollte wissen, wie man eigentlich die Gasflasche an den integrierten Grill anschließt.“

Text: Christoph Koch
Erschienen in: Die ZEIT
Fotos: Screenshots (WMF)

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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