Zeit für eine neue Küche oder wollen Sie gleich die ganze Wohnung neu gestalten – haben aber keine Zeit und brauchen Inspiration? Künstliche Intelligenz kann einem angeblich jeden Raum sekundenschnell »modern«, »skandinavisch« oder im Landhausstil einrichten. Klappt das wirklich?
In jeder Wohnung, in jeder Doppelhaushälfte, ja ich behaupte, in jedem Palast gibt es ein ungeliebtes Zimmer. Eine Art schwarzes Schaf: vernachlässigt, im besten Fall stoisch ignoriert, im schlimmsten Fall bei jedem Betreten ein tiefes Seufzen auslösend.
Bei uns ist dieser ungeliebte Raum die Küche. Als meine Frau und ich zusammenzogen, reichte das Geld für die Küche eines großen schwedischen Einrichtungshauses. Pressspan im Landhaus-Flair, aber wir waren selig. Das war allerdings vor 15 Jahren. Mittlerweile hat der Spülmaschinendampf hier das Furnier mürbe gemacht, dort eine Espressokanne einen dunklen Brandring auf der Arbeitsplatte hinterlassen. Die Temperaturregler des Herds sind lose, und warum haben wir eigentlich so am Stauraum gespart? Alles kein Drama. Aber würde in unserer Wohnung ein für Menschen ungefährlicher und von der Versicherung abgedeckter Minibrand ausbrechen, und ich hätte vorher die Chance, das Zimmer dafür auszuwählen …
»Wir müssen uns mal wegen der Küche Gedanken machen« ist also seit Jahren ein geflügeltes Wort zwischen meiner Frau und mir. Aber wie es oft so ist: Je größer das Projekt, umso aufgeschobener. Vielleicht kann hier jedoch die KI helfen. Schon klar: Sie wird die neuen Hängeschränke nicht anbringen – aber ich gebe ja schon bei der Planung auf.
Die Webseite »AI Room Planner« verspricht »Interior Design durch KI«. Die Seite ist kostenlos. Für die meisten anderen vergleichbaren Programme fällt sofort eine monatliche Gebühr an. Ich soll ein Foto unserer Küche hochladen. Wer Wert auf Datenschutz und Privatsphäre legt, ist an dieser Stelle vermutlich schon raus: Die Nutzungsbedingungen der Seite sind maximal vage, was den Umgang mit den hochgeladenen Fotos betrifft. Das heißt in der Regel datenschutztechnisch nichts Gutes: Dass die Fotos zum weiteren Trainieren der KI-Modelle verwendet werden, wäre mir persönlich noch egal. Aber dass unsere unaufgeräumte Küche eventuell in einer Instagram-Werbung des KI-Anbieters auftauchen könnte, gefiele mir schon weniger.
Ich bin jedoch zu gleichen Teilen verzweifelt und sorglos. Also Foto gemacht und rein damit in die große, weite KI-Cloud. Anschließend kann ich angeben, um was für eine Art von Raum es sich handelt. Ich wähle »Küche«, logisch. Dann kann ich aussuchen, in welchen Stil der Raum gestaltet werden soll. Die Optionen reichen von »modern« oder »skandinavisch« bis »barock« oder, kein Witz, »Skihütte«. Ich entscheide mich für »Midcentury Modern«.
Das Ergebnis ist relativ ernüchternd. Auf den ersten Blick sieht es ganz gut aus, was die KI aus unserer vollgestopften und unaufgeräumten Küche gemacht hat. Alles helle Fronten, angenehmes Licht und statt Wassersprudler-Gewürzregal-Chaos nur eine stilvolle Blumenvase. Doch je genauer ich mir das Bild anschaue, desto mehr Ungereimtheiten fallen mir auf. Zum einen schätzt die KI unsere Küche anhand des Fotos sehr viel größer ein, als diese tatsächlich ist: Für eine etwa 1,50 Meter breite Küchenzeile hat sie mehrere Spülen und einen Herd und eine Spülmaschine vorgesehen. Der Backofen ist lustigerweise unter einem der Spülbecken platziert. Die Küchenzeile gegenüber hat noch eine dritte Spüle, diese allerdings ohne Wasserhahn. Und da, wo unsere – zugegebenermaßen etwas verwinkelt geschnittene – Küche eine Nische für die Waschmaschine hat, hat die KI einfach eine Tür reingesetzt.
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Text: Christoph Koch
Foto: Screenshot