„Der Wein aus Schildkrötenhoden war ziemlich gut!“

Written by on 07/10/2015 in Neon with 0 Comments

Patrick Moote hat einen sehr kleinen Penis. Sein Dokumentarfilm »Unhung Hero« zeigt, was er alles unternahm, um das zu ändern.

Vor zwei Jahren haben Sie Ihrer Freundin bei einem Basketballspiel einen Heiratsantrag gemacht. Sie sagte vor Tausenden Menschen nicht nur Nein, der Moment wurde später auch zum Youtube-Hit. Wie war das?

Beschissen natürlich. Innerhalb von wenigen Tagen sahen Millionen Menschen, wie meine Freundin die Tribüne verließ. Später fand ich heraus, dass einer der Gründe, warum sie mich nicht heiraten wollte, mein kleiner Penis war.

Andere Leute hätten sich zu Tode geschämt und in der Wohnung eingeschlossen. Zusammen mit dem Regisseur Brian Spitz drehten Sie über diesen Makel den Dokumentarfilm »Unhung Hero«. Warum?

Ganz ehrlich: Wenn man versucht, Erfolg im Showgeschäft zu haben, ist ein virales Video mit zehn Millionen Views auch eine Chance. Es war mir alles furchtbar peinlich, aber ich wollte doch versuchen, aus dem ganzen Debakel etwas Positives herauszuholen.

Aber jetzt kennt Sie die ganze Welt als den Typen mit dem kleinen Schwanz.

Wenn mir etwas unangenehm ist, habe ich schon immer dazu tendiert, die Aufmerksamkeit genau darauf zu lenken. Das ist eine Verteidigungsstrategie, die gut funktioniert. Ein Beispiel: Weil ich als Kind auffällig lange Wimpern und volle Lippen hatte und bei Kälte schnell knallrote Wangen bekam, nannte mich ein anderer Junge im Schulbus immer »Makeup-Boy«! Ich habe den Typen gehasst. Eines Tages habe ich deshalb den Kleiderschrank meiner Mutter geplündert, mir eine Perücke aufgesetzt, Lippenstift aufgetragen und mich im Bus neben den Jungen gesetzt. Alle anderen Kinder haben gelacht und der Typ hat mich nie wieder gehänselt.

Am Anfang des Films probieren Sie eine ganze Reihe von Hilfsmitteln: Penispumpen, Tabletten, eine Dehnungstechnik namens »Jelqing«. Hat irgendwas davon funktioniert?

Überhaupt nicht. Es hat keinen Sinn, fünfzigmal am Tag an seinem Schwanz zu zerren, damit sich das Gewebe dehnt. Die Penispumpe hat auch nicht geholfen. Am Ende hatte ich eher das Gefühl, mein Penis sei durch die unangenehmen Übungen noch kleiner geworden. Und die Pillen sind der allergrößte Schwindel.

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Sie haben einen koreanischen Markt besucht und dort viele Wundermittel ausprobiert.

Ich habe alles gegessen, was den Penis größer machen soll. Am ekelhaftesten waren vielleicht die gekochten Hoden eines Hahns. Es fühlte sich in meinem Mund an, als würde ich auf eine unreife Kirschtomate beißen. Die Tränen, die man im Film an dieser Stelle sieht, sind übrigens echt. Ein paar Sachen waren aber überraschend gut. Der Schildkrötenhodenwein zum Beispiel schmeckte wie billiger Sake.

Im ersten Teil des Films suchen Sie nach einem Weg, Ihren Penis zu vergrößern. Später scheint Sie eher die Frage zu beschäftigen, warum Männer von der Größenfrage überhaupt so besessen sind.

Als ich nackt vor einem Wunderheiler in Papua-Neuguinea saß, der mir fünfzig Milliliter Öl in den Penis injizieren wollte, habe ich mich plötzlich gefragt, was zur Hölle ich da mache. Und plötzlich ging es nicht mehr so sehr darum, mein Problem zu lösen, sondern eher, mich zu fragen, warum ich überhaupt ein Problem habe.

Hat die Pornografie im Netz etwas damit zu tun?

Wenn die einzigen fremden Schwänze, die ein Mann zu sehen bekommt, die von Pornodarstellern sind, verzerrt das vermutlich schon die Wahrnehmung. Die Pornostars werden ja gecastet, weil sie gut bestückt sind. Und ihr Penis wird ja auch besonders inszeniert.

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Sie haben auch eine Selbsthilfegruppe für Männer mit kleinem Penis besucht. Was haben Sie dort erlebt?

Das war eine sehr ernüchternde Erfahrung und auch sehr traurig. Die Männer waren deutlich älter als ich, trafen sich jede Woche und tauschten Geschichten über ihre kleinen Penisse aus. Mir wurde bewusst, wie zerstörerisch diese Unsicherheit sein kann, dass sie das ganze Leben dieser Männer beherrscht. Und ich merkte, dass ich auf dem besten Weg war, einer von ihnen zu werden.

Haben Sie bei Ihren Recherchen denn herausgefunden, wie Frauen nun wirklich zu dem Thema stehen?

Ich habe für den Film unzählige Frauen auf der Straße angesprochen und ihnen von meinem kleinen Penisproblem erzählt. Ganz ehrlich: Das war noch schlimmer als das Hodenessen in Korea. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es unter Frauen eine einheitliche Meinung über die Bedeutung der Penisgröße gibt. Mal schworen zehn Frauen in Folge, die Größe sei vollkommen egal. Dann wieder traf ich zehn Frauen, die aus dem Grund schon mit Männern Schluss gemacht hatten. Fast alle Frauen waren sich jedoch einig, dass ein zu großer Penis beim Sex störender sei als ein zu kleiner.

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Hat sich Ihr Liebesleben durch das Filmprojekt verändert?

In den USA ist der Film bereits eine Weile auf dem Markt. Während ich kürzlich bei einem Date war, sprach mich plötzlich ein Typ an: »Hast du nicht einen Film über deinen kleinen Pimmel gedreht? Echt mutig!« Das Gesicht meiner Begleiterin, der ich noch nichts von der ganzen Sache erzählt hatte, war unbezahlbar.

Und wie reagieren Frauen, die von Ihrem Film wissen, wenn es dann zum Sex kommt?

Ich glaube, der Film sorgt für derart niedrige Erwartungen, dass einige Frauen sogar positiv überrascht waren: »Oh wow, sooo klein ist er ja gar nicht!« Das ist zwar alles andere als ein Kompliment aber ich habe mich trotzdem gefreut. Inzwischen bin ich übrigens wieder in einer glücklichen Beziehung.

Im Film wird Ihr Penis nie gezeigt wie klein ist er denn nun wirklich?

Ich habe mich für den Film ärztlich untersuchen lassen: Er ist unterdurchschnittlich groß. Ich bilde mir das nicht ein. Wir haben zwar eine Enthüllungsszene gedreht, in der man ihn sehen kann, sie aber dann rausgeschnitten. Es ist wie im Horrorfilm: Manche Dinge wirken stärker, wenn man sie der Vorstellung der Zuschauer überlässt.

Patrick Moote, 31, ist Comedian und Drehbuchautor. Er lebt in Los Angeles. »Unhung Hero« ist als Stream auf myvideo.de und auf DVD erhältlich.

Interview: Christoph Koch
Erschienen in: NEON
Fotos: greensky Film

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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