Unsere Uni soll schöner werden – was Hochschulen voneinander lernen können

Written by on 29/10/2010 in Neon with 0 Comments

Bachelor-Ärger, Stellenstreichungen, Studiengebühren – aus deutschen Hochschulen kommen selten gute Nachrichten. Doch es gibt Ausnahmen – zwei gute Beispiele, was man an deutschen Unis verbessern kann (acht weitere von Konstanz bis Karlsruhe gibt es in der NEON-Ausgabe 10/10)

Von Dresden lernen: Auf die Alten bauen

Umgerechnet 20,3 Milliarden Euro sammelten sogenannte Alumnivereine in den USA im Jahr 2009. Bis dahin ist es sicherlich noch ein weiter Weg, aber die Studentenstiftung der Technischen Universität Dresden zeigt, dass die Förderung durch Spenden von Ehemaligen nicht nur privaten Eliteschulen mit Efeuhecken und Poloteam vorbehalten sein muss. Als erste deutsche Stiftung dieser Art wirbt sie seit mittlerweile fünf Jahren um Gelder, aber auch Sachspenden und freiwillige Mitarbeit von aktuellen und ehemaligen Studenten sowie von Firmen und Bürgern vor Ort. Erfolge bisher: eine anonyme psychologische Telefonberatung für Studierende (»Nightline Dresden«), der erste Wickeltisch an der gesamten Uni, sowie die Öffnung der Bibliothek auch sonntags.

Letzteres wurde anfangs von der Stiftung finanziert, seit diesem Jahr trägt die Universität die Kosten wieder selbst. »Unser Ziel ist es nicht, Aufgaben des Staates oder der Uni zu übernehmen «, stellt Martin Bockisch, Vorsitzender der Stiftung, klar. »Wir möchten zeigen, wie manche Probleme behoben werden können.« Das große Ziel: die Finanzierung eines eigenen Lehrstuhls. Etwa 200 Professorenstellen sind derzeit in Sachsen aus Kostengründen nicht besetzt. Doch um einen Lehrstuhl zu finanzieren, bräuchte die Stiftung die Zinsen eines Grundkapitals von rund 60 Millionen Euro.

Ambitioniert, aber nicht utopisch – denn es werden nicht nur Spenden eingesammelt. Mit einer bereits finanzierten Fotovoltaikanlage wird die Stiftung bald eigenen Solarstrom produzieren und so nebenher noch eigenes Geld verdienen.

Von Braunschweig lernen: Probleme weg mit Web 2.0

Jeder, der auch nur einen einzigen Tag an einer Uni verbracht hat, kennt das Problem: Niemand ist zuständig. Nicht für die Heizung, die auch im Hochsommer den Hörsaal bebollert. Nicht für die immer zu knappen Sprechstunden.

Nicht für die ständig defekten Kopierer. Nicht für den Irrsinn, dass man für jedes Institut eine andere Kopierkarte braucht. Und jeder, der auch nur einen halben Tag damit verbracht hat, sich durch die Hierarchien und Zuständigkeitsbereiche einer Hochschulverwaltung zu meckern, lernt: das nächste Mal lieber in der Mensa sitzen bleiben und einen zweiten Nachtisch holen.

In Braunschweig gibt es seit Anfang 2009 an der TU eine zentrale Anlaufstelle für alle Sorgen und Nöte der Studierenden – das »Sag`s uns«-Blog. Ob kleine Anlie gen (mehr Mülleimer im Informatikzentrum oder Tacker und Locher bei den Druckern) oder große Ideen (eine einzige Chipkarte für Mensa, Kopierer und Bücherausleihe oder eine Onlinebewertung der Professoren) – hier kann alles vorgebracht, vorgeschlagen, angedacht werden. Das Gute an der Sache: Es können zum einen, wie im modernen Mitmachweb üblich, alle die Beiträge einsehen und mitdiskutieren. Zum anderen wird von Anja Reisch, die das Blog von der Uniseite aus betreut, sofort ermittelt, wer in der Verwaltung genau für das Thema zuständig ist. In der Regel wird binnen 24 Stunden eine offizielle Antwort gepostet, wenn nicht sogar schon eine Lösung präsentiert.

Klar, Mülleimer aufstellen oder Heizung abdrehen geht deutlich schneller als eine Reform der Studienordnung, aber es gibt endlich eine einheitliche Anlaufstelle ohne Zuständigkeitsausreden.

Und, so die Organisatoren selbst: »Wir erfahren so viel schneller, wo der Schuh drückt.«

Text: Christoph Koch
Erschienen in: NEON

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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