Indiana Jones im Stimmbruch: Wie drei Fans den Filmklassiker im Garten nachdrehten

Written by on 05/06/2008 in jetzt.de, Süddeutsche with 0 Comments

Drei Jungen in Mississippi fassten 1982 einen Plan: Sie wollten „Indiana Jones: Jäger des verlorenen Schatzes” zu Hause nachdrehen – Szene für Szene, Einstellung für Einstellung. Sieben Jahre später waren sie fertig, der Film verstaubte danach in ihren Regalen. Inzwischen hat er eine Fangemeinde, zu der auch Regisseur Steven Spielberg zählt.

Wer von euch hatte die Idee für dieses Wahnsinnsunternehmen?

Chris Strompolos: Es war meine Idee. Ich war zehn und hatte gerade „Jäger des verlorenen Schatzes” gesehen. Ich wollte Indiana Jones sein – alles geschah nur aus Liebe zu diesem Film.

Eric Zala: Ich lernte Chris im Schulbus kennen, weil ich mir ein „Indiana-Jones”Comic von ihm auslieh. Als ich ihm sagte, dass ich den Film mag, merkte ich, dass er mich sofort leiden konnte. Später rief er mich an und schlug vor, den Film nachzudrehen. Ich wusste damals noch nichts von dem, was auf mich zukam. Jayson kam dazu, als wir für die erste Szene eine verweste Leiche brauchten.

Jayson Lamb: Ich hatte für eine Halloweenparty unser Klassenzimmer in eine Geisterbahn verwandelt. Also wussten die beiden, dass ich gruselige Masken herstellen konnte – und ich war an Bord.

Brothers In Arms: Eric, Chris und Jayson (von links) im Jahr 1988, am Ende der Dreharbeiten zu ihrem Remake von „Indiana Jones”.

Wann habt Ihr gedreht, nach der Schule?

Eric: Wir haben in den Sommerferien jeweils drei Monate gedreht. Während des Schuljahrs haben wir am Set herumgebaut, Kostüme gemacht und so weiter.


Was haben Eure Eltern dazu gesagt?

Chris: Wir haben alle drei alleinerziehende Mütter, kamen aus kaputten Familien. Vielleicht war das auch der Grund, warum das Filmen so viel Spaß gemacht hat: Es war eine Flucht in eine heile Welt. Meine Mutter hat mich immer ermutigt weiterzumachen, wenn ich selbst Zweifel hatte. Sogar als wir Eric angezündet haben, blieb sie erstaunlich cool.


Wie bitte?

Jayson:
Einer der Bösen geht im Film in Flammen auf, also schlich ich in Büchereien herum, und tat, als würde ich für ein Schulprojekt recherchieren. Dort fand ich heraus, dass Reinigungsalkohol sehr gut brennt, aber auch schnell wieder ausgeht. Als wir die Szene gedreht haben, wollte Eric aber Benzin verwenden. Die ganze Sache geriet dann etwas außer Kontrolle. Wir haben den halben Keller seiner Eltern abgebrannt.

Eric: Die Sache kam aber erst raus, als wir die Bänder in dem Fernsehstudio sichteten, in dem auch die Mutter von Chris arbeitete. Der Techniker verpetzte uns, unsere Mütter trafen sich und verboten uns weiterzumachen.


Eure Mütter waren also sozusagen die Studiobosse, die den Hahn abdrehten?

Jayson: Genau. Nach einem Jahr Pause konnten wir sie dazu überreden, uns weitermachen zu lassen – wenn auch nur unter der Aufsicht eines befreundeten Erwachsenen. Der Typ hatte eine Statistenrolle in einem Zombiefilm gehabt, er war für uns also eine Art Gott. Er war aber noch unreifer als wir und ermutigte uns eigentlich ständig, noch mehr Feuer und Explosionen einzusetzen.


Einen Film mit Taschengeld zu drehen, ist bestimmt nicht leicht. Wo kamen die ganzen Utensilien her?

Chris: Die Peitsche und den Hut habe ich mir zum Geburtstag gewünscht.

Eric: Eigentlich haben wir alle unsere Geschenke immer sehr strategisch ausgewählt, alles diente irgendwie dem Film.


Am beeindruckendsten ist ja die riesige Steinkugel, vor der Indiana Jones fliehen muss. Bei euch sieht sie genauso riesig aus wie im Film. Wie geht sowas?

Jayson: Es gab unzählige Kugeln. Die ersten waren mit Pappmache beklebte Wetterballons, die am nächsten Tag zusammengefallen waren. Dann bauten wir eine, die hielt, aber zu groß war, um sie aus Erics Zimmer herauszubekommen. Am Schluss hatten wir eine Kugel aus Fiberglas und haben sie zwei Holzpfosten in Erics Garage herunterrollen lassen.


Woher kamen die anderen Schauspieler?

Eric: Das waren Schulfreunde und Nachbarskinder, die wir immer wieder überreden konnten, sich als Araber oder Nazis zu verkleiden. Schwierig war es vor allem, die weibliche Hauptrolle zu finden. Wir hatten damals ehrlich gesagt nicht viel Kontakt mit Mädchen. Chris gab mir den Auftrag: „Wir brauchen ein Mädchen, aber bitte eins, das kleiner ist als ich.” Ich kannte ein Mädchen, das mit mir zur Kirche ging – sie erschien mir hübsch genug, und ich fragte sie.


Wie war es, die Liebesszenen zu drehen?

Chris: Ich war damals gerade 13 und hatte noch nie ein Mädchen geküsst. Ich war so aufgeregt, dass ich ganz profihaft von Eric ein „geschlossenes Set” verlangte – was im Grunde nur bedeutete, dass er seinen Bruder nach draußen schickte.


Gab es Schwierigkeiten unter euch Jungs?

Chris: Nein. Ärger entstand erst, als wir mit den Dreharbeiten fertig waren und ich mit Jayson die Nachvertonung machte. Wir konnten nachts kostenlos ein Studio nutzen und waren irgendwann so übermüdet, dass wir am Schluss alles nur noch hinschluderten.

Eric: Als ich mir ansah, was sie gemacht hatten, sagte ich, dass das nicht ihr Ernst sein könnte. Aber die beiden ließen mich einfach stehen. Danach haben wir ein ganzes Schuljahr kein Wort mehr miteinander geredet.


Wie habt ihr euch wieder versöhnt?

Eric: Erst als der inzwischen dritte Teil von „Indiana Jones” in die Kinos kam, rief ich Chris an. Wir gingen zusammen ins Kino. Der Film weckte unsere Begeisterung wieder und wir machten die Nachbearbeitung und den Ton zu Ende – inzwischen war es das Jahr 1989.


Was hat euch bei all diesen Schwierigkeiten, die Kraft gegeben, immer weiterzumachen?

Jayson: Im Grunde nichts als unsere völlig Besessenheit. Ein bisschen war es so, wie auf einen Berg zu steigen – und hinter jedem Gipfel kommt noch einer.

Eric: Ohne unsere enge Freundschaft hätte es auch nie funktioniert. Wir wussten: Es liegt nur an uns selbst, ob wir es schaffen oder aufgeben.


Nachdem der Film fertig war, habt ihr ihn euren Freunden und Familien gezeigt, dann setzte er 15 Jahre lang bei euch Zuhause Staub an. Wie kam es jetzt dazu, dass er wieder auftauchte?

Eric: Ich habe später in New York Film studiert und den Film ab und zu Freunden gezeigt. Einige davon machten sich Kopien – und plötzlich landete er bei Steven Spielberg.


Machte er Schwierigkeiten wegen der Urheberrechte?

Chris: Wir dürfen den Film nicht vertreiben. Aber er lud uns zu sich ein und machte uns ein Kompliment: „Jungs”, sagte er, „ich habe euren Film zweimal angesehen – und er hat selbst mich inspiriert.”

Eric: Jetzt haben wir den Film schon auf einigen Filmfestivals in den USA gezeigt und die Leute sind begeistert.


Woran glaubt ihr, liegt das? Im Grunde gibt es den Film ja schon in einer viel besseren Version. . .

Jayson: Die Zuschauer wissen es zu schätzen, dass an dem Film alles echt ist. Dass die Jungs, die sie da sehen, wirklich ihr ganzes Herz reingelegt haben.

Chris: Als Erwachsene zweifeln wir doch ständig an uns selbst: Wo bin ich gerade? Tue ich das Richtige? Wie werde ich glücklich? Der Film strahlt eine unfassbare Unschuld aus. Man sieht, dass wir das alles sehr ernst nehmen, gleichzeitig haben wir keine richtigen Sorgen. Außer der Frage, wo wir jetzt bitteschön ein paar Schlangen herbekommen.


Was für ein Gefühl ist es, seine eigene Kindheit Jahre später noch einmal zu sehen?

Chris: Noch einmal diese glücklichen Kindertage besuchen zu dürfen, ist ein unglaubliches Privileg. In einigen Szenen sind wir ja fünf Jahre älter als in anderen. Ich sage einen Satz in einer hellen Jungenstimme und eine Szene später bin ich durch den Stimmbruch durch und klinge wie ein Mann.


Was habt Ihr in den sieben Jahren gelernt?

Jayson: Ausdauer und Bescheidenheit.

Eric: Was man schaffen kann, wenn man mit den richtigen Leuten zusammen ist.

Chris: Dass es später immer schwieriger wird, solche Freundschaften zu schließen, wie man sie mit zehn geschlossen hat. Ich habe auch gelernt, dass man immer das tun sollte, was man liebt, sonst gerät man irgendwann aus der Spur.


Ein Hollywood-Produzent hat euch jetzt für einen sechsstelligen Betrag die Rechte an eurer Geschichte abgekauft. Wann kann man euer Leben im Kino sehen?

Jayson: Der Film soll bald in die Kinos kommen – wir hoffen natürlich, dass es ein Blockbuster wird, ein weiterer Kindheitstraum muss nämlich noch war werden: Dass wir endlich zur Oscar-Verleihung eingeladen werden.


Interview: Christoph Koch
Erschienen in: SZ
Foto: theraider.net

(Anmerkung: Das Interview wurde bereits im September 2004 für die jetzt.de-Seite in der Süddeutschen Zeitung geführt. Im Zuge der Veröffentlichung des neuen Indiana-Jones-Films aber vielleicht immer noch – beziehungsweise wieder – interessant.)

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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