Ökomode: Jutes Gewissen

Written by on 19/08/2005 in SZ-Magazin with 0 Comments

Wer beim Stichwort Ökomode an Batikhemden und Latzhosen denkt, liegt falsch. Kleider aus Biowolle sind endlich schick. Wurde ja auch Zeit!

Shoppen und die Welt verbessern ­ und das am Samstagvormittag. Wie praktisch! Bislang basierte ethisches Handeln vor allem auf einer Tugend: Verzicht. Die neue »grüne Mode« hingegen gibt einem die Möglichkeit, vom Stadtbummel mit vollen Einkaufstüten und einem guten Gewissen nach Hause zu kommen. Was bei Nahrungsmitteln und Kosmetik für viele schon lang selbstverständlich ist, nämlich auf Produktherkunft und Herstellungsbedingungen zu achten, ist nun auch in der Modeindustrie angekommen. Das Erstaunliche: Endlich sieht ökologisch hergestellte Mode gut aus ­ die Zeit der Batikshirts und unförmigen Leinenkleider ist vorbei.

Der Designer Rogan Gregory von der Jeansfirma Loomstate zum Beispiel verarbeitet organisch angebaute Baumwolle und achtet darauf, dass ihre Färbe- und Bleichmittel biologisch gut abbaubar sind. Auch die walisische Modefirma Howies benutzt ausschließlich Stoffe, die ohne Pestizide und andere chemische Zusatzstoffe hergestellt wurden. Der T-Shirt-Hersteller American Apparel aus Los Angeles wurde mit dem Slogan »Sweatshop free« bekannt, der auf die hohe Bezahlung der Näher und die ungewöhnlich guten Arbeitsbedingungen hinwies. Auch American Apparel verwendet Biobaumwolle ­ zumindest in einer Produktlinie. Das riesige Werk in Los Angeles stellt darüber hinaus Schweißbänder und andere kleine Accessoires aus Stoffresten der normalen Produktion her und vermeidet dadurch mehr als 500 Tonnen Abfall im Jahr.

Die amerikanische Schauspielerin Sienna Miller, der Liebling der Boulevardpresse, schwärmt derzeit für ein Paar Schuhe und lässt keine Gelegenheit aus, sich öffentlich dazu zu äußern. Das gehört dazu, schließlich ist sie die aktuelle Stilikone: Millionen Frauen kopieren ihren Look. Und sie empfiehlt keine Highheels von Manolo Blahnik, sondern Jutesandalen für 15 Euro von People Tree, einem Versandhaus, das fair gehandelte Produkte im Internet anbietet.

Egal, wie groß die Ideale sind ­ will Ökomode Erfolg haben, muss sie vor allem das Auge ansprechen, nicht nur den Verstand. »Wir verkaufen unsere T-Shirts nicht nur wegen unserer Einstellung, sondern wegen ihrer guten Passform«, bringt es Dov Charney, der Gründer von American Apparel, auf den Punkt. Und der Howies-Inhaber David Hieatt ergänzt: »Die größte Umweltsünde ist, Kleidung herzustellen, die nicht gut aussieht. Denn die möchte niemand tragen.« Bezahlbar bleiben die Kleider dennoch: Ein T-Shirt von American Apparel zum Beispiel kostet zwischen 20 und 35 Euro.

Die Ethical Fashion Show im vergangenen Herbst in Paris zeigte ausschließlich Ökomode ­ und die hatte nichts mit der Jute-Ästhetik eines Dritte-Welt-Ladens zu tun. Stattdessen: farbenfroh und frei von Ethno-Insignien. Das Lifestylemagazin Flaunt hat das Potenzial der umweltfreundlichen Mode erkannt und ihr eine ganze Ausgabe gewidmet. Und mit Project wurde gerade in London ein anspruchsvolles und gut aussehendes Magazin gegründet, das sich ausschließlich mit ethischem Konsum ­ von Mode bis Möbel ­ auseinander setzt.

Mit ihren neuen Marken wollen die Firmen keinesfalls im Naturkostladen landen ­ der Mainstream ist das Ziel. Man will neben Levi’s und Lacoste im Regal liegen, nicht neben Rapunzel und Demeter. Deshalb lehnte die holländische Firma Kuyichi die Anfrage eines Ökoladens, der ihre Jeans vertreiben wollte, strikt ab.

Wie lässt sich nachprüfen, ob Rohstoffe wirklich organisch angebaut und die Arbeitsbedingungen vor Ort tatsächlich fair sind? Der Oberbegriff »ethical fashion« ist ebenso schwammig wie die Ökosiegel zahlreich. Sie sollen Klarheit schaffen, bewirken aber oft nur Verwirrung, bei Kunden und Herstellern »SLO, SA8000, Fair Trade, EMAS­ die Zertifikate sind alle sehr unterschiedlich. Und wenn man sie in einem Land bekommt, heißt das noch nicht, dass sie in jedem anderen Land auch gelten«, erläutert François Morillion, 26, einer der beiden Gründer der französischen Turnschuhfirma Veja. Deshalb verbringt er fast die Hälfte des Jahres dort, wo seine Schuhe gemacht werden: im brasilianischen Amazonasgebiet. Der Schuh ­ die Neuauflage eines Volleyballschuhs aus den Siebzigern ­ ist aus Biobaumwolle, die Sohle aus Naturkautschuk. Auf der Pariser Modemesse war Veja ein großer Erfolg und Morillion ist überzeugt, dass sich derzeit eine Revolution anbahnt: »Noch sind es überwiegend kleine Designer, die ökologisch produzieren. Aber die großen Firmen sehen, dass es funktioniert und dass es einen Markt dafür gibt ­ deshalb werden sie hoffentlich nachziehen.«

Der Druck auf die großen Marken wächst: »Immer weniger Menschen sind bereit, durch ihren Konsum Firmen zu unterstützen, die unmoralisch handeln. Das gilt überall: Wer keine Aktienfonds möchte, die Rüstungsfirmen im Portfolio haben, will auch am Wochenende keine Jeans kaufen, die vor Chemie strotzen und in einem Sweatshop zusammengenäht wurden«, sagt der britische Wirtschaftsjournalist und Konsumexperte David Boyle.

In vielen Geschäften ist die kleine Revolution längst angekommen. Beim Londoner Modekaufhaus Selfridges sind nur noch eine Hand voll Stücke der Edun-Kollektion übrig. Ali Hewson, die Frau des U2-Sängers Bono, hat sie gemeinsam mit einem Designer auf den Markt gebracht und nach ökologischen Gesichtspunkten herstellen lassen. Den vielleicht wichtigsten Sieg feiert die umweltbewusste Mode jedoch ausgerechnet bei Topshop, der britischen Variante von H&M: Dort, wo sonst nur zählt, wie billig ein Kleidungsstück hergestellt werden kann, hängen jetzt T-Shirts mit bunten Drucken. Aus Biobaumwolle.

Text: Christoph Koch
Erschienen in: SZ-Magazin
Foto: American Apparel

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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