Die heimlichen Verfolger – Onlinetracking in der Werbung

Written by on 14/03/2013 in brand eins with 12 Comments

Wenn Ihnen auf einer Website Werbung begegnet, die Sie interessiert, kann es dafür einen guten Grund geben: Sie wurden ausspioniert.

 

1. Onlinewerbung damals und heute

Früher war das Werbegeschäft im Internet noch einfach, es galt das Prinzip Zeitungsinserat. Eine Anzeige wurde gegen Geld auf einer Website platziert und verkauft. Dann hoffte man, dass die Leser die Reklame auch wahrnahmen.

Wie die Dinge sich doch ändern! Heute arbeiten Werber mit einer Methode, die sich Real Time Bidding nennt. Damit wird jeder Besucher einer Seite in Sekundenbruchteilen meistbietend verschachert. Den Preis bestimmt unter anderem das Profil des Nutzers: Wie lukrativ ist seine Aufmerksamkeit? Für welche Konsumgüter interessiert er sich besonders? Wie viel Geld hat er? Wie oft kauft er online ein?

Erstellt werden diese Profile durch sogenannte Tracking Cookies, die den Surfer auf seinem Weg durchs Netz verfolgen. Gewöhnliche Cookies sind kleine Dateien, die beim Besuch einer Website auf dem eigenen Rechner gespeichert werden, um zum Beispiel den Nutzer wiederzuerkennen, wenn er ein zweites Mal eine Seite aufruft. Tracking Cookies hingegen werden in der Regel nicht direkt von der aufgerufenen Seite gesendet, sondern von Drittanbietern, die versuchen, auf so vielen Seiten wie möglich präsent zu sein, um den Menschen so präzise wie möglich auf seinem Weg durchs Web zu verfolgen.

Auf 49 der 50 populärsten US-Seiten hat das „Wall Street Journal“ solche Spione entdeckt. Mancherorts wirken oft mehr als 100 davon gleichzeitig. Laut einer Studie der Beratungsfirma Krux werden solche Instrumente immer häufiger installiert. Ihr Einsatz habe sich in den vergangenen zwei Jahren um jeweils 400 Prozent gesteigert. Und oft seien nicht mal die Seitenbetreiber selbst im Bilde, wer alles die Daten ihrer Besucher abgreife.

Die Liste reicht von Google, dessen Analyse-Tools im Hintergrund vieler Websites laufen, bis zu Facebook oder Twitter, die mit ihren Like- oder Tweet-Buttons ebenfalls allgegenwärtig sind – und dabei Daten sammeln, ob der Knopf zum Weiterempfehlen nun geklickt wird oder nicht. Dazu kommen immer mehr Firmen, für die das Tracking nicht Nebenjob ist, sondern Geschäftsmodell. Mehr als 300 gibt es inzwischen davon, fanden die Krux-Forscher heraus. Vor zwei Jahren waren es nur etwa halb so viel. Eine davon ist die Berliner Firma Nugg.ad.

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2. Die Datensammler sind überall

Wenn Stephan Noller, 42, zeigen will, wie harmlos seine Firma und ihr Geschäft mit den Nutzerdaten im Grunde sind, holt er im Berliner Büro den Cookie-Printer aus dem Schrank. Ein kleiner Würfel, etwa zehn Zentimeter Kantenlänge, mit einem @-Zeichen vorne drauf.

Das Gerät soll sichtbar machen, was sonst verborgen bleibt: was Nugg.ad alles über einen Internet-Surfer weiß. „Werbung ist nach wie vor die größte Einnahmequelle im Netz und wird das auch auf lange Sicht bleiben“, sagt Noller. „Wir helfen dabei, dass sie effizienter wird für den, der sie schaltet, und weniger nervig, für den, der sie sieht.“ Manche glauben ihm das, vorzugsweise diejenigen, die selbst im und mit dem Internet ihr Geld verdienen.

Der kleine Kasten soll auch die Zweifler überzeugen. Er funktioniert ganz einfach: Man ruft mit seinem Smartphone oder einem Computer die Seite mtm.nugg.ad auf und gibt anschließend den Befehl zum Drucken. „Sie werden überrascht sein“, sagt Stephan Noller, „aber eher davon, wie wenig das ist.“

Dann rattert auf einem Papierstreifen das Surfverhalten des Autors heraus. Gewissermaßen sein digitaler Fußabdruck, seine dunkelsten Geheimnisse, seine privatesten Vorlieben. Ein kurzer Moment der Angst beschleicht einen. Doch am Ende liest sich das Ergebnis wie folgt: „Lifestyle und Freizeit – hoch; Reisen – hoch; Nachrichten – hoch“. Von dem schwammigen Begriffspaar Lifestyle und Freizeit einmal abgesehen: Dass sich jemand für Reisen und Nachrichten interessiert, kann man ihm auch ansehen, wenn er mit einer Zeitung am Flughafengate nach Korsika sitzt. Ist das wirklich etwas, wovor man Angst haben muss?

Solche Informationen mögen unscharf sein, aber sie sind in den vergangenen Jahren immer wertvoller geworden: Durch den Prozess der Echtzeitversteigerung jedes einzelnen Werbeplatzes ist ein transparenter Internetnutzer erheblich lukrativer als ein anonymer.

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Text: Christoph Koch
Erschienen in: brand eins

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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