Die sieben Geld-Typen

Written by on 25/11/2007 in Neon with 0 Comments

Der Prasser, der Sparer, der Vorsichtige – wie wichtig man Geld nimmt, verrät schon das Verhalten am Geldautomaten.

1 Der VERDRÄNGER

»Das kann ich mir jetzt echt nicht geben«, hört man den Verdränger stöhnen, wenn er mal wieder eine Rechnung aus dem Briefkasten fischt und in den großen Stapel hinter seinem staubigen Computermonitor schiebt. Dass der Stapel sich von dort längst unter den Tisch und hinter die Heizung weiterschlängelt, ahnt der Verdränger, aber … verdrängt es eben auch ganz gut. Kontoauszüge wirft er ungelesen in den kleinen Papierkorb im Sparkassenvorraum, die Steuer macht er, »wenn mal mehr Ruhe ist« – und wenn der Kundenberater von der Bank anruft, behauptet er stets, der Mitbewohner zu sein, aber eine Rückrufbitte »selbstverständlich« weiterzuleiten. Das Bemerkenswerte: Zur richtigen Vollkatastrophe mit Zwangspfändung oder zertrümmerten Kniescheiben kommt es trotzdem nie. Was viel leicht auch daran liegt, dass der Bankberater auch den großen Bruder des Verdrängers betreut – und dieser in extrem brenzligen Situationen immer mal wieder einen vierstelligen Betrag überweist. Wofür sich der Verdränger sogar bedanken würde – wenn er es denn mitbekäme.

Größter Ausgabeposten: Drei Worte, die nur für ihn erfunden wurden: Verzugszinsen, Mahngebühren und Säumniszuschläge.

Verhalten am Geldautomaten: Gedankenverloren singt er sein Lieblingslied der Hamburger Band Die Sterne: »Diese Scheiße mit dem Geld und ihr Verlauf, reibt dich nur auf.«

2 Der SCHEINSPARER

Wenn der Scheinsparer tankt, dann nur bei der freien Tankstelle am Stadtrand und nur für zehn Euro. Dass er fast die Hälfte davon allein für den Anfahrtsweg verfährt, kommt ihm nicht in den Sinn. Ebenso wenig wie der Gedanke, dass er nicht unbedingt Geld spart, wenn er eine Brotbackmaschine zum Supersparpreis bei Aldi kauft, diese anschließend aber in seinem Küchenschrank vergammelt. Selbst bei den Geräten, die der Scheinsparer benutzt, schafft er es, sich finanziell in die Tasche zu lügen: Die preisgünstigen Gerätschaften, die er im Schlussverkauf erworben hat, geben alle nach einem Jahr den Geist auf – und die Kochtöpfe, die er so billig im 1-Euro-Laden gefunden hat, leiten die Hitze so schlecht, dass es mehrere Ewigkeiten und unzählige Kilowattstunden braucht, bis das Nudelwasser heiß ist.

Größter Ausgabeposten: Vermeintliche Schnäppchen wie der Mozzarellaschneider vom Discounter, der anschließend in derselben Schublade landet wie der beinahe identische Eierschneider.

Verhalten am Geldautomaten: Hebt immer nur 20 Euro ab, denn »dann gibt man auch nicht so viel aus.« Dass er dafür ständig zum Automaten rennt und permanent mit EC-Karte bezahlt, blendet er komplett aus.

3 Der HINSPARER

Der Hinsparer ist eine Art Dinosaurier des Finanzverhaltens. Während inzwischen alle Welt erst das Auto kauft und dann den Preis dafür in 72 quälenden Monatsraten abstottert, hält es der Hinsparer mit der Tradition seines Vaters. So lange warten, bis man das Geld zusammenhat, dann mit einem Bündel Scheine zum Autohaus gehen und schuldenfrei vom Hof fahren. Und so träumt der Hinsparer je nach Neigung von einem Porsche, der High-End-Anlage oder der großen Neuseelandreise und legt jeden Monat beflissen etwas von seinem Einkommen weg. Klar wird das Objekt der Begierde, wenn er es sich endlich leisten kann, mehrere hundert Euro teurer sein als damals, als er anfing, dafür zu sparen. Aber gegen Hindernisse wie die Inflation spart er eben umso eiserner an. Dass diese Disziplin, »immer was wegzulegen«, beinahe wichtiger ist als das Ziel selbst, merkt man daran, dass der Hinsparer gar nicht die erhoffte Erfüllung findet, wenn am Ende das Sparziel erreicht ist – sondern sich sofort ein neues setzt. Und wieder jeden damit vollquatscht.

Größter Ausgabeposten: Magazine wie »Stiftung Warentest«, um am Ende der Sparphase auch wirklich das Richtige zu kaufen – und um die Zinssätze der unterschiedlichen Banken zu vergleichen.

Verhalten am Geldautomaten: Sieht den Kontostand und denkt sich: »Oh, die Handyrechnung war diesen Monat ja niedriger als sonst, ich muss unbedingt nachher 20 Euro aufs Tagesgeldkonto rüberschieben, um ein paar Zinsen abzugreifen.«

4 Der PRASSER

Wenn man den Prasser sieht, könnte man ihn für den Nachwuchs einer Adelsfamilie, mindestens jedoch eines Botschafters halten – in Wirklichkeit kommt er aus einer ganz gewöhnlichen Angestelltenfamilie. Doch diese Welt war dem Prasser immer zu klein, zu profan. Um sich dem internationalen Jetset anzunähern, kauft er in Outlets immer noch überteuerte Kaschmirpullis und freut sich tatsächlich, am Wochen ende 550 Euro auf den Kopf hauen zu können – weil der Kram schließlich von 1200 Euro auf 650 Euro reduziert war.Und so verprasst er das »gesparte Geld« für teure Getränke in den angesehenen Bars seiner Stadt, immer in der Hoffnung, dort Kontakt zu den besseren Kreisen zu bekommen und dadurch mittelfristig einen Job zu landen, bei dem er richtig Geld verdient. Prasserei als Investition in die Zukunft. Und tatsächlich: Eines Abends lernt er einen der größten Unternehmer der Stadt kennen, feiert mit ihm die Nacht durch und ist sich sicher, eine Riesenstelle in der Tasche zu haben. Doch leider: »Du, sei mir nicht böse, aber ich brauch Leute, die mit Geld umgehen können.«

Größter Ausgabeposten: Strafzettel – denn U-Bahn fahren kommt nicht in Frage, Kleingeld für die Parkuhr bei sich zu tragen, jedoch ebenso wenig.

Verhalten am Geldautomaten: Mit schweißnasser Hand umklammert er die Geldscheinklammer aus Platin – erst als er hört, dass der Automat doch noch mal ein paar Scheine rausrattert, kehrt die Farbe in seine weißen Knöchel zurück.

5 Der VORSICHTIGE

Manchmal wacht der Vorsichtige nachts auf, wischt sich den Schweiß von der Stirn und erinnert sich an das letzte Bild des Alptraums: ein Kontoauszug mit einem großen S hinter dem Kontostand. S wie Sünde. Dabei ist er so weit vom Dispo entfernt wie eine Nonne vom Besuch der Youporn-Seite. Denn der Vorsichtige hat nicht nur eine »stille Reserve« für Notfälle wie eine kaputte Waschmaschine – er hat gleich drei. Trotzdem ist er nicht geizig, und wenn man mit ihm am Tresen steht, gibt er auch mal eine Runde aus. Wenn auch nicht, ohne zu denken: »Jetzt habe ich aber was gut.« Und wenn der Vorsichtige mal richtig über die Stränge schlägt und sich ein schönes Wochenende mit seinem Partner am See macht, kommt spätestens abends im Bett die Reue, und im Geiste werden die Ausgaben des Tages addiert. Zweimal Eiskaffee, die Tageszeitung, Abendessen mit Vorspeise, die Parkgebühr, da könnte man das nächste Mal aber auch wirklich auf der Wiese … Dann schläft er ein – und das große S kommt wieder.

Größter Ausgabeposten: Versicherungen – von der Berufsunfähigkeitsversicherung bis zur Vollkasko, die pro Jahr beinahe mehr kostet, als der alte Fiat wert ist, den sie versichert.

Verhalten am Geldautomaten: Während er das PIN-Zahlenfeld vorschriftsmäßig mit der Hand abdeckt, liest er interessiert die Reklameeinblendungen seiner Bank durch – und überlegt, ob nicht noch eine dritte Form der privaten Altersvorsorge sinnvoll wäre.

6 Der BANKROCKER

Der Bankrocker ist das exakte Gegenstück zum Prasser. Obwohl er sehr gut verdient, liegt ihm überhaupt nichts daran, dies seiner Umwelt über teure Kleidung oder andere Statussymbole mitzuteilen. In Chucks, Jeans und Band-T-Shirt – so sieht man den Bankrocker deshalb auf Indiekonzerten neben dem Mischpult stehen, später schmeißt er dann ganz dezent eine Runde Plastikbecherbier für seine alten Freunde, die es alle echt cool finden, dass er so normal und locker geblieben ist, obwohl er doch bei der Bank arbeitet. »Ich seh dich nie am Schalter, in welcher Filiale bist’n du eigentlich?«, fragen seine alten Freunde gelegentlich – und der Bankrocker wechselt schnell das Thema. Dass er als Investmentbanker jeden Tag Milliarden hin und her schiebt, muss nun wirklich keiner wissen; noch nicht einmal die beiden Typen, mit denen er in einer ziemlich abgewohnten Schrabbel-WG wohnt, sind so richtig im Bilde. Sie kommen erst dahinter, als mit 35 die Phase einsetzt, in der sie auch selbst daran den ken, vielleicht doch noch zu probieren, Karriere zu machen – und sich der Bankrocker zu dieser Zeit bereits zur Ruhe setzt. Von dem Geld, das er durch seinen Lebenswandel gespart hat, hat er sich nämlich längst ein Anwesen auf den Bahamas mit eigenem Golfplatz gekauft – natürlich ein Abschreibungsobjekt.

Größter Ausgabeposten: Karten für das Modest- Mouse-Konzert und das anschließend erstandene T-Shirt.

Verhalten am Geldautomaten: Holt sich 50 Euro ab, das reicht dann aber auch echt für die ganze Woche. Wenn er im Sommer mal wieder zum »Umsonst und draußen«-Festival fährt, sogar noch länger.

7 Der UNFÄHIGE

»Ich hab einfach keine Lust, die Kohle so wichtig zu nehmen«, sagt der Unfähige gerne weltmännisch- locker und lehnt sich rauchend zurück. Dabei ist das, was er als Nonchalance verkauft, in Wirklichkeit nichts anderes als totales Versagen, wenn es darum geht, nur die einfachsten finanziellen Fallstricke zu durchschauen. Sein Vermieter haut ihn mit einer dreisten Staffelmiete nicht nur Jahr für Jahr dreister übers Ohr, sondern hat auch bei jedem Zimmer zwei Quadratmeter mehr in den Mietvertrag geschrieben als tatsächlich vorhanden. Von seinem Konto werden drei Jahre, nachdem er sein Auto verkauft hat, immer noch Mitgliedsgebühren vom ADAC eingezogen, und von den vier Kreditkarten, die er sich für Werbegeschenke zu teuren Jahresgebühren hat aufschwatzen lassen, nutzt er nur eine – natürlich die mit den ungünstigsten Konditionen. Seine Verträge für Handy und DSL-Anschluss stammen aus Zeiten, in denen man dafür noch richtig viel Geld ausgeben musste, und seine Bank knöpft ihm jeden Monat Konto führungsgebühren ab, die sie eigentlich längst abgeschafft hat – für alle Kunden, die sich darum kümmern. Doch wenn man dem Unfähigen er zählt, dass er mit einem einzigen Anruf in die kostenfreie Variante wechseln könne, reagiert er – so viel zur angeblichen Lockerheit – erstaunlich eingeschnappt. Mürrisch beginnt er, eine SMS zu tippen, um das Gespräch nicht fortsetzen zu müs sen. Als er sie verschickt, kostet ihn das 1,49 Euro. Aber immerhin ist er kein Sklave des Geldes.

Größter Ausgabeposten: Mitgliedsbeiträge für die drei Fitnessstudios in den Städten, in denen er seit seinem Abitur gewohnt hat – und die er jedes Mal vergessen hat zu kündigen.

Verhalten am Geldautomaten: Ungläubig hämmert er auf das Display ein, wenn der Automat mal wieder nichts ausspuckt, weil der Dispo »am Anschlag« ist – wieso ist nur immer die Kohle so schnell alle, fragt er sich, wo er sich doch wirklich keinen besonders luxuriösen Lebensstandard leistet.

Text: Christoph Koch
Erschienen in: NEON
Foto: Björn Láczay (dustpuppy)

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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