Michalis Pantelouris: Mein Medien-Menü (Folge 16)

Written by on 11/06/2012 in Was ich lese with 0 Comments

In der Reihe “Mein Medien-Menü” stellen interessante Menschen ihre Lese-,  Seh- und Hörgewohnheiten vor. Ihre Lieblingsautoren, die wichtigsten Webseiten, tollsten Magazine, Zeitungen und Radiosendungen – aber auch nützliche Apps und Werkzeuge, um in der immer größeren Menge von Informationen, den Überblick zu behalten und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Jeden Montag also ein neues Medien-Menü – diese Woche zu Gast: Michalis Pantelouris – Journalist, Magazin-Entwickler und Anne Wills liebster Grieche. 

Wie informierst du dich morgens als erstes?

Ich benutze mein iPhone auch als Wecker. Wenn er klingelt, checke ich Mails und je nach Uhrzeit entweder nur SpOn (da passiert vor sieben eh nix, wenn nicht etwas ganz großes passiert ist – und das hätte ich als Nachricht im Message Center) oder meine Standard Newsseiten (das sind die Apps von SpOn und New York Times und die mobilen Seiten von SZ, Zeit, FAZ und Bild). Das klingt obsessiv, geht aber ganz schnell, ich lese erstmal nur Headlines. Ich bin ein Nachrichten-Junkie, eigentlich immer gewesen, in den letzten zwei Jahren der Euro-Krise als Grieche aber noch viel mehr.

Welche Zeitungen / Magazine hast du im Abo oder liest du regelmäßig?

Im Abo habe ich physisch Monocle, den US Conde Nast Traveller, die US Esquire und den Economist. Auf dem iPad noch den New Yorker, Outside und Fast Company. Außerdem kriege ich die Magazine, für die ich regelmäßig schreibe (Emotion und GQ). Und ein paar Sachen kaufe ich nach Tagesform. Ich mag Zeitschriften.

 

Was liest du auf Reisen?

Ich lese in rauen Mengen Krimis und versuche, immer mal echte Literatur einzustreuen. Das ist ein bisschen wie mit dem Essen: Ich liebe gutes Essen. Aber ganz oft komme ich irgendwie nicht dazu. Krimis sind bei mir so etwas wie Kalorien, die das Gehirn eben braucht. Außerdem lese ich, auch wieder seit der Krise, sehr viel zum Thema Volkswirtschaft. Ich habe mal ein halbes Jura-Studium gemacht, bevor ich einen Platz an der Journalistenschule bekommen habe, aber von Volkswirtschaft hatte ich sehr wenig Ahnung. Ich glaube, inzwischen habe ich ein Grundstudium nachgeholt, allerdings ohne die Mathematik. Ich verstehe die Systematik, aber ich rechne die Übungsaufgaben nicht durch. Ich lese also natürlich viel Paul Krugmann und, Empfehlung!, gerade „Der Globale Minotaurus“ von Yanis Varoufakis. Aber, Einschränkung, das letztgenannte Buch gibt es noch nicht digital, jedenfalls nicht auf deutsch. Ich lese das allermeiste auf dem Kindle oder auf den Kindle-Apps auf dem Telefon oder dem iPad. Krimis unterscheiden sich von anderen Büchern ja auch dadurch, dass man sich einen Kommissar aussucht, nicht die Geschichte, und dann alles mit ihm liest. Da kann ich auch was empfehlen: Wer zum Beispiel die Salander-Trilogie mochte, könnte gut die Harry-Holes von Jo Nesbø lesen, falls ein Tipp gefragt ist. Nicht vom ersten abschrecken lassen, die werden immer besser. Ich lese aber auch noch größeren Schund: Jack Reacher von Lee Child. Das ist so etwas wie Buch gewordenes B-Movie. Super.

 

Welche Nachrichtenseiten im Netz sind Dir wichtig?

Die oben und dann nach Empfehlung so viele andere. Es viele tolle Journalisten da draußen, und manchmal lassen die Bedingungen es sogar zu, dass sie ihr Handwerk voll ausschöpfen können. Und natürlich quäle ich mich mit meinem Bauerngriechisch seit zwei Jahren durch griechische Nachrichten. Das ist irre mühsam, ich war ja nie auf einer griechischen Schule und lese das quasi phonetisch. Aber es nützt nichts. Als Grieche ist man heute pausenlos in der Situation, erklären zu müssen, und die deutschen Massenmedien versagen praktisch komplett. Das Bild, das heute in Deutschland von Griechenland und den Griechen herrscht, ist unfassbar falsch und geprägt von Medienhetze und Fehlinformationen. Viele meiner Kollegen glauben ihre eigenen Vorurteile derart fest, dass sie sie bei jeder Recherche nur noch bestätigen wollen.

 

Welche Blogs liest du?

Niggemeier natürlich, den Bildblog, die Nachdenkseiten, das Blog von Krugmann bei der New York Times, auch das von David Pogue dort, wirres.net, Sprengsatz, coffeeandtv von Lukas Heinser, qlod.org/weltfrieden von Nilz Bokelberg und noch ein paar Sachen über Fotografie, Technik und Armbanduhren (ich liebe Armbanduhren). Und dieses hier natürlich.

 

Highlights aus deinem RSS-Reader?

Ehrlich gesagt benutze ich irgendwie keinen RSS-Reader. Habe das 14 Mal angefangen und irgendwie klappt das nicht. Im Moment habe ich nur Bildblog, Niggemeier und den Blog des Elternrates der Grundschule meiner Tochter abonniert.

 

Was ist wichtige berufliche Lektüre für dich?

Unbeantwortbar. Dazu müsste ich erstmal genau wissen, was ich von Beruf bin. Ich bin Journalist, Autor, Medienentwickler, Blogger, manchmal Dozent. Ich behaupte mal, jede Lektüre ist wichtig für mich. Dann kann ich sie nämlich von der Steuer absetzen, oder?

 

Welches Buch hat dich in letzter Zeit am meisten beeindruckt?

Das Buch heißt „Der Mond“ und ist eine Mischung aus Foto-, Sach- und Gesprächsbuch über den Mond und die Apollo-Missionen. Ich träume heimlich davon, einmal zum Mond zu fliegen. Neben den unfassbaren Bildern gibt es ein Gespräch mit Buzz Aldrin, dem zweiten Mann auf dem Mond, und Thomas Reiter, einem deutschen Astronauten. Alles unfassbar.

 

Welche Apps/Tools/Programme helfen dir, informiert zu bleiben?

Ich lese inzwischen sehr viele Magazine auf dem iPad, schon weil die amerikanischen da viel billiger sind (und einfacher zu kriegen …). Und Instapaper ist toll. Da kann man – zack – etwas markieren und kriegt es auf den Kindle gebeamt. Geil.

 

Wie viel liest du auf dem Smartphone, Tablet, o.ä.?

Ich würde behaupten, ich lese höchstens noch 10 Prozent dessen, was ich lese, auf dem Papier. 60 Prozent online, und 30 Prozent auf Tablet oder eReader. Und ich lese sehr viel. Aber es ist irre schwer, das selbst einzuschätzen, oder? Ein bisschen wie mit dem Essen. Ich habe gehört, das Menschen, die ein Ernährungstagebuch führen erst einmal erstaunt sind, was sie alles in sich hineinstopfen. So ginge es mir wahrscheinlich mit Medienkonsum auch. In Wahrheit lese ich sicher irre viel Scheiß, den ich einfach sofort wieder vergesse – wie ein Snickers zwischendurch. Anders übrigens als ein Wunderbar. Ein Wunderbar ist das unglaublichste, was man sich vorstellen kann: Erdnussbutter mit Schokolade drum! Das muss so viel Kalorien haben wie drei Hauptmahlzeiten. Wahrscheinlich könnte man damit Hungersnöte vermeiden, wenn man es aus Flugzeugen abwirft. Ich liebe den Wunderbar. Aber ich verkneif ihn mir, ich bin auch so schon zu fett. Aber niemand würde einen Wunderbar vergessen. Ein Wunderbar ist mein Bild für eine gute Boulevard-Zeitung. Erdnussbutter mit Schokolade. Leider gibt es das nicht. Real existierende Boulevard-Zeitungen in Deutschland sind leider Kuhscheiße mit Scherben drin und Schokolade drum.

 

Welche Rolle spielen Leseempfehlungen/Links durch Soziale Netzwerke?

Wahrscheinlich eine noch viel größere, als ich es je bewusst merken könnte. Ich lese pausenlos irgendwas, wenn ich am Rechner sitze.

 

Von wem oder was fühlst du dich dort besonders gut informiert?

Ich finde die sechs vor neun Links von Ronnie Grob auf Bildblog toll. Und alle Links von Felix Schwenzel auf wirres.net. Aber ich habe eine Menge tolle Leute in meinem Facebook-Stream.

 

Gibt es tägliche oder wöchentliche Leserituale?

Samstags den Economist. Immer. Montagabend den New Yorker wenn es geht. Morgens halt das Morgenzeug.

 

Wer sind deine Lieblingsautoren (Buch, Zeitung, Magazin)?

Ich liebe mindestens zehn Leute beim New Yorker (Hertzberg, Gladwell, Lane, um die ersten drei zu nennen). Paul Krugmann. Ach, ich weiß nicht. Ich lese gerne Englisch, das ist mit Abstand meine Lieblingssprache (wobei ich gerne Italienisch könnte. Lord Byron, großer Griechenland-Fan und Freiheitskämpfer, hat ja gesagt, die Griechen seien auch nur Türken, die sich für Italiener halten. Ich halte das für ein Kompliment).

 

Gibt es eine Radio- oder Fernsehsendung, die du möglichst nie verpasst?

Tatort.

 

Hast du einen Lieblings-Podcast?

Leider nein. Ich finde das Format irgendwie toll. Ich würde selbst wahnsinnig gern einen Podcast machen. Aber ich höre praktisch nie welche.

 

Wie haben sich deine Lesegewohnheiten in den letzten Jahren geändert?

Bestimmt. Ich lese viel mehr, seitdem ich mich daran gewöhnt habe, digital zu lesen.

 

Irgendetwas, das ich vergesse habe, du aber trotzdem gerne liest/hörst/siehst?

Ich weiß, das ist inzwischen wahrscheinlich total unhip, aber ich liebe immer noch Kuratoren. This isn’t Happiness und The Impossible Cool sind zwei Seiten, auf die ich gehe, wenn ich mal eine kreative Pause brauche. Und natürlich zum Godfather, Peter Glaser, die Glaserei bei der Stuttgarter Zeitung. Der hat die irrwitzigsten, interessantesten Entdeckungen im ganzen Internet – und dabei weiß man, dass die noch viel spannenderen Sachen alle in seinem Kopf passieren. Unbedingt muss man auch noch zwoelfzeilen.com erwähnen! Das ist ein Typ, der aktuelle Gedichte zum Tagesgeschehen veröffentlicht. Ein König.

Michalis Pantelouris, 37, entwickelt Magazine und schreibt über alles mögliche – im Moment vor allem über die Krise in Griechenland. Sein Blog findet man unter pantelouris.de

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Vielen Dank an “The Atlantic Wire” für das wundervolle Format (dort heißt es “What I Read”). Wer Vorschläge hat, wer in dieser wöchentlichen Rubrik auch einmal zu Wort kommen und seine Lieblingsmedien vorstellen und empfehlen sollte, kann mir gerne schreiben.

Disclosure: Mit vielen der Menschen, die hier in “Was ich lese” ihre Mediengewohnheiten vorstellen, bin ich befreundet oder zumindest leidlich bekannt.

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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