Reddit, die heimliche Startseite des Internets, erklärt von A bis Z

Written by on 04/11/2017 in Krautreporter with 0 Comments

Anfänge

Der Online-News-Aggregator Reddit wurde im Juni 2005 von Steve Huffman und Alexis Ohanian im amerikanischen Massachusetts gegründet. Die Gründer (beide Jahrgang 1983) kannten sich vom gemeinsamen Studium an der University of Virginia. Anfangs wurden sie vom Gründerzentrum →Y-Combinator gefördert, bereits 2006 verkauften sie Reddit für einen ungenannten Betrag an das US-Verlagshaus →Condé Nast. Huffmann erklärte später, der frühe Verkauf sei ein Fehler gewesen: „Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich nicht verkauft“, sagte er in einem Interview.

Bedeutung

Reddit ist eine der einflussreichsten Websites der Welt. Sehr viele Phänomene unserer Popkultur, aber auch der →Politik (→The_Donald) haben dort ihren Ursprung. Der schlechte Ruf, den die Seite genießt (→Harassment, →Jailbait) hat seine Gründe, gleichzeitig ist die große Mehrheit der Nutzer an einem intelligenten Austausch (→Fragen, →Politik) viel mehr interessiert als am Trollen. Zu nahezu jedem Fachgebiet gibt es sehr informative →Subreddits, in denen sich Gleichgesinnte zusammengeschlossen haben. Die Hilfsbereitschaft und der Wille dazuzulernen sind meiner Erfahrung und Wahrnehmung nach sehr groß, für eine anonyme Internet-Community sogar unglaublich groß. Werbung, Spam und ähnliche Ärgernisse der Onlinewelt sind auf Reddit hingegen verpönt. Was mir vielleicht am besten gefällt: Man ist ernst in der Sache (zum Beispiel, wenn die Moderatoren des /r/science-Subreddits Klimawandelleugner ausschließen oder die Moderatoren des /r/news-Subreddits Links zu Meinungsbeiträgen streichen), aber immer humorvoll im Ton. Wo sonst wäre es möglich, dass über eine Million Menschen einen Knopf klicken, der zu nichts gut ist, außer um herauszufinden, wie viele (unterschiedliche) Menschen nacheinander auf ihn klicken. Oder dass ein Beitrag namens „Testposting, bitte ignorieren“ über 2.000 Kommentare erhält?

Condé Nast

Sehr früh (→Anfänge) kaufte das US-Verlagshaus Condé Nast (das vom New Yorker über Vanity Fair und Wired bis zu GQ und Vogue zahlreiche Magazine veröffentlicht) die Plattform. Im Jahr 2011 wurde Reddit in die Condé-Nast-Muttergesellschaft Advance Publications transferiert, die neben den Magazinen von Condé Nast auch zahlreiche US-Tageszeitungen veröffentlicht sowie hinter Webseiten wie arstechnica.com oder pitchfork.com steht.

Diskussionsforum

Grundsätzlich ist Reddit wie ein klassisches Onlinediskussionsforum aufgebaut. Es gibt verschiedene Unterbereiche (→Subreddits), in denen Nutzer Beiträge posten können, auf die andere Nutzer wiederum durch Kommentare reagieren. Reddits entscheidendes Merkmal ist jedoch eine Abstimmfunktion, die es Nutzern erlaubt, in ihren Augen wertvolle Beiträge „nach oben“ zu voten und ihnen so mehr Sichtbarkeit zukommen zu lassen. Und diese Sichtbarkeit kann gewaltig sein (→In die Knie).

Ellen Pao

Am Fall Ellen Pao lässt sich sehr gut der zentrale Konflikt von Reddit beobachten (→The_Donald). Auf der einen Seite der „Free Speech“-Ansatz, der den Nutzern und Moderatoren eine sehr lange Leine lässt und nur eingreift, wenn Gesetze verletzt werden. Auf der anderen Seite das Bemühen um eine Community, in der sich möglichst viele Menschen wohlfühlen können und möglichst niemand diskriminiert oder schikaniert wird.

Pao wurde bekannt, als sie 2012 ihren Arbeitgeber – den kalifornischen Risikokapitalgeber Kleiner Perkins – wegen Geschlechterdiskriminierung verklagte. Die Klage der früheren Junior-Partnerin wurde zwar 2015 von einem Geschworenengericht in San Francisco abgewiesen. Pao gilt aber dennoch als wichtige Pionierin im Kampf gegen den Sexismus im Silicon Valley, der im Zusammenhang mit Uber und durch die Enthüllungen von The Information und der New York Times gerade wieder verstärkt diskutiert wird.

Für Reddit arbeitete Pao ab 2013, zunächst im Bereich Business Development und strategische Partnerschaften. Im November 2014 wurde sie vorübergehend CEO der Plattform. Schnell setzte sie sich dafür ein, dass umstrittene Unterforen, in denen zum Beispiel „revenge porn„, (also Nacktfotos von Expartnern), oder rassistische und frauen- oder schwulenfeindliche Inhalte veröffentlicht worden waren, geschlossen wurden. Diese Foren sowie eine generell laxe Moderation und ein flapsiger Umgangston auch bei ernsten Themen hatten dafür gesorgt, dass die Plattform vielerorts als Schmuddelecke des Internets galt.

Bei den Nutzern kam Paos Handeln schlecht an: Es hagelte Nazivergleiche und Rücktrittsaufforderungen. Ein →Subreddit „paomustresign“ (Pao muss zurücktreten) wurde ebenso gestartet wie Online-Petitionen auf der Plattform change.org. Das Kräftemessen endete im Juli 2015 mit einem Rücktritt von Pao, die als CEO vom Mitgründer Steve Huffman (→Anfänge) ersetzt wurde.

https://www.youtube.com/watch?v=BSOGV1GYdw4

Fragen

Das wahrscheinlich beliebteste und berühmteste →Subreddit ist /r/IAmA. Oft mit „AMA“ abgekürzt, lässt sich unter dem Titel „Ask Me Anything“ eine Person von der Reddit-Gemeinschaft schriftlich interviewen. Wie auf Reddit üblich, können dabei Fragen nach oben gewählt, also priorisiert werden, wobei es dem Interviewten freisteht, welche er zur Antwort auswählt und wie lange er sich insgesamt für die Beantwortung Zeit nimmt. Prominente von Bill Gates (mehrmals) über Steve Wozniak bis Barack Obama (zweimal) haben sich schon den Fragen der Nutzer gestellt und erstaunlich gute Fragen oft erstaunlich ausführlich und gewissenhaft beantwortet. Man muss aber nicht berühmt sein, um befragt zu werden: Auch eine Gepäckbandarbeiterin an einem großen US-Flughafen, ein Insasse in einem nordkoreanischen Umerziehungslager oder eine Überlebende eines Bärenangriffs haben bereits sehr erfolgreiche AMAs veranstaltet. Die Grundregeln: Die befragte Person sollte entweder etwas Interessantes regelmäßig tun (Beispiel: als Pilot arbeiten) oder etwas Ungewöhnliches erlebt haben (Beispiel: Mount-Everest-Besteigung).

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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