Freemium: Was nix kostet, wird was wert

Written by on 22/08/2017 in brand eins with 0 Comments

Wovon leben Firmen, die ihre Produkte verschenken?

„Ich hoffe, der Name setzt sich durch, denn ich finde ihn großartig“, schrieb der Risikokapitalgeber Fred Wilson am 23. März 2006 in seinem Blog. Kurz zuvor hatte Wilson einen Beitrag veröffentlicht, in dem er sein liebstes Geschäftsmodell so beschrieb: „Schenke deinen Service her (…), finde sehr effizient viele Kunden durch Mundpropaganda, Werbepartner, gutes Suchmaschinenmarketing – und biete dann erweiterte Funktionen oder Premiumdienstleistungen gegen Geld an.“ Am Ende des Beitrags bat er um Vorschläge, wie man dieses Geschäftsmodell nennen könnte. Der Vorschlag eines Lesers: Freemium.

Der Name hat sich durchgesetzt. Und ist heute populärer denn je. Wilson nannte bereits in seinem Beitrag einige Beispiele: Skype (andere Skypenutzer anrufen ist kostenlos, wer reguläre Telefonanschlüsse anruft, muss bezahlen) oder der Fotodienst Flickr (bis zu einer gewissen Zahl von Fotos ist der Dienst gratis, danach wird ein kostenpflichtiges Profi-Konto fällig). Schon vor dem Internetzeitalter gab es im Softwarehandel ähnliche Modelle, sogenannte Shareware: Eine eingeschränkte Version durfte kostenlos kopiert und weitergegeben werden, die Vollversion wurde jedoch erst durch Bezahlung und Registrierung beim Hersteller freigeschaltet. Bis heute sind unzählige andere Firmen dazugekommen, die auf Freemium setzen – und manche auch wieder verschwunden. Das Grundprinzip: Durch kostenlose Leistungen wird ein möglichst großer Markt erschlossen, durch bezahlte Leistungen das nötige Geld verdient.

Freemium hebt sich ab vom Fitnessstudio, das Neukunden mit einem Gratis-Probemonat gewinnen will, ebenso von Händlern, die kostenlose Warenproben anbieten. Auch Rockefeller, der den Chinesen erst Öllampen schenkte und dann das dafür nötige Kerosin verkaufte, kann sich nicht rühmen, Vorreiter des Freemium-Modells gewesen zu sein. Bei diesem später als „Rasierer und Klingen“ bezeichneten Konzept ist der kostenlose Bestandteil ohne den kostenpflichtigen nutzlos. Freemium erlaubt dagegen einem Großteil der User, die kostenlose Variante dauerhaft zu nutzen – wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Das können etwa Kapazitätsgrenzen sein oder fehlende Spezialfunktionen. Diese Hürden sollen Intensivnutzern einen Anreiz liefern, für das Produkt zu bezahlen.

Am besten funktioniert dies laut Chris Anderson mit Zusatzfunktionen für Premiumkunden. Der US-amerikanische Journalist und Unternehmer hat mit seinem Buch „Free“ im Jahr 2009 das Standardwerk zum Thema geschrieben. Differenzierung durch Zusatzfunktionen erfordere zwar den Mehraufwand zweier Produktversionen, es sei aber die beste Methode, die Reichweite zu maximieren. „Wenn Nutzer zur Bezahlversion wechseln, tun sie es aus den richtigen Gründen“, schreibt er außerdem. „Denn sie verstehen den Wert, den sie dafür erhalten – und sind aus diesem Grund loyaler und weniger preisempfindlich.“

Dadurch kann es laut Anderson genügen, wenn dauerhaft nur zehn Prozent oder sogar ein noch kleinerer Anteil der Kunden für das Produkt bezahlen. Für einen klassischen Händler wäre es undenkbar, neun Jacken zu verschenken, nur um einen zahlenden zehnten Kunden in den Laden zu locken, der Wert darauf legt, dass seine Jacke eine Kapuze hat. Und der deshalb für eine solche bezahlt. In der digitalen Welt, in der die Grenzkosten sehr niedrig sind, kann dieses Modell jedoch wunderbar funktionieren.

Für die amerikanische Firma Box.com, die sicheren Speicherplatz in der Cloud für Privatleute und Unternehmen zur Verfügung stellt, war Freemium anfangs Ersatz für Marketing und Vertrieb. „Wir konnten uns damals keine großen Werbekampagnen und kein Vertriebsteam leisten“, sagt der Vorstandsvorsitzende Aaron Levie. „Und Freemium war der perfekte Weg, unseren Dienst trotzdem bekannt zu machen.“ Also gab es bereits zur Gründung 2005 – Levie war noch Student an der University of Southern California – bis zu einer gewissen Grenze kostenlosen Speicherplatz. Wer sie überschritt, musste zahlen. „Es war damals noch sehr schwer, Investoren davon zu überzeugen, dass es sich rechnen kann, etwas zu verschenken“, erinnert sich Levie.

 

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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