Spar’s dir! Geld anlegen in Zeiten von Niedrigzinsen

Written by on 13/07/2016 in Neon with 1 Comment

Wer seine Ersparnisse auf ein Bankkonto legt, dem schrumpfen sie weg. Wir haben Alternativen geprüft.

Als Ende 2014 erstmals in der deutschen Geschichte eine Bank (die »Skatbank«) verkündete, ab sofort »Strafzinsen«, also Geld für das Sparguthaben ihrer Kunden zu verlangen, statt ihnen dafür Geld zu geben, klang das wie ein schlechter Scherz. Doch es ist traurige Realität: Die Zinsen für Sparer werden immer schlechter. Das liegt größtenteils an den sinkenden Leitzinssätzen der Zentralbanken, die so die Wirtschaft ankurbeln wollen. Die Zentralbanken wollen, dass es günstig ist, sich Geld zu leihen, beispielsweise für Firmen, die investieren wollen. Zugleich verlangt die Europäische Zentralbank selbst auch schon Strafzinsen, wenn Banken dort ihr Geld parken wollen. Für Sparer ist es kaum noch möglich, das Geld auf dem Konto langsam wachsen zu lassen. Auf dem klassischen Sparbuch bekommt man derzeit in vielen Fällen gerade mal 0,15 Prozent Zinsen das bedeutet, selbst wenn man dort 10 000 Euro liegen hat, sind es nach einem Jahr gerade mal 10 015 geworden. Etwas mehr gibt es auf Tagesgeldkonten, aber auch da selten mehr als 1 Prozent. Was kann man also tun, wenn man ein wenig Geld zur Seite legen will, aber nicht möchte, dass es aufgrund der Inflation langsam an Wert verliert? Hier ein paar Alternativen. Grundsätzlich gilt dabei: Das Risiko lieber streuen und verschiedene Dinge ausprobieren, statt alles auf eine Karte (beziehungsweise einen Whisky oder ein Start-up-Investment) zu setzen.

 

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Mit der Crowd investieren

Crowdfunding ist nach wie vor populär. Viele tolle Filme, Gadgets oder Computerspiele wurden in den letzten Jahren möglich, weil eine Gruppe Menschen zusammengelegt und die Idee vorfinanziert hat. Crowdinvesting ist weniger idealistisch hier ist die Belohnung für das finanzielle Engagement am Ende nicht eine CD der Lieblingsband, sondern Profit. Bekanntestes Beispiel: der Kinofilm »Stromberg«. Dessen Unterstützer bekamen, nachdem der Film eine bestimmte Anzahl Kinozuschauer angelockt hatte, eine Gewinnbeteiligung. Am Ende sprangen nach drei Jahren 17 Prozent Rendite heraus.

Plattformen wie Seedmatch, Companisto oder Bergfürst bringen (meist junge) Firmen und potenzielle Investoren zusammen. Doch Vorsicht: Geht die Firma pleite, in die man gemeinsam mit der Crowd investiert hat, ist unter Umständen alles angelegtes Geld futsch. Denn Crowd-Investoren haben im Insolvenzfall meist weniger Rechte als andere Geld geber wie beispielsweise Banken oder Wagniskapitalgeber. Sie kommen erst an ihre Einlagen, nachdem diese zufriedengestellt wurden. Im Gegensatz zu vielen anderen Investments kann es hier also durchaus zu einem Totalverlust kommen. Deswegen nicht unbedingt das Notfallgeld in dieses hippe Start-up geben, das mit exklusiven Überraschungsboxen voller Luxuslebensmittel Genießer beliefern und begeistern will. Mit genau diesem Konzept sammelte die Münchner Firma Foodiesquare 2012 mehr als eine halbe Million Euro ein machte 2014 dann jedoch Pleite. Zu wenig Foodies hatten sich überzeugen lassen und die Boxen bestellt.

An die Börse gehen

Wer niedrige Zinsen umgehen, aber sein Geld auch nicht auf unerfahrene Start-ups setzen will, kann natürlich in etablierte Firmen investieren und Aktien kaufen. Deutschlands wahrscheinlich bekanntester Börsenmakler Dirk Müller (alias »Mister DAX«) empfiehlt genau das: »Aktien sind der beste Weg, um sich an der Wirtschaft und ihrem Wachstum zu beteiligen. Das verläuft zwar in Wellen, aber seit Anbeginn der Menschheit geht es immer nur in eine Richtung nach oben.« Deshalb lautet die Empfehlung des Börsenbuchautors (»Cashkurs«, »Showdown«), nicht alles in Aktien zu stecken, aber zumindest 50 Prozent von dem, was man anlegen möchte. Doch in welche? »Suchen Sie sich Unternehmen, die seit vielen Jahren beweisen, dass sie es können. Weltmarktführer wie Volkswagen, Nestlé, Procter & Gamble werden in den nächsten zehn Jahren nicht pleitegehen.«

Geschmack beweisen

Man kann sein Geld auch an die Wand hängen, und damit unter Umständen ein einträgliches Geschäft machen. Der Wirtschaftsprüfer Deloitte hat ermittelt, dass die Preise für zeitgenössische Kunst seit dem Jahr 2000 im Schnitt jährlich um fast zwölf Prozent gestiegen sind. Keine schlechte Rendite allerdings weiß niemand, welche Künstler im Wert steigen werden und welche nicht. Deshalb empfehlen Experten Anfängern auch stets, Bilder nach dem eigenen Geschmack zu kaufen. Niemand sollte sich ein hässliches Bild an die Wand hängen, nur weil er glaubt, dass es irgendwann mal im Wert steigen könnte. Wo rauf ist noch zu achten? Lebende Künstler sind in der Regel erschwinglicher als bereits verstorbene, solche die eine Akademie besucht haben, erfahren häufiger eine Wertsteigerung als Autodidakten. Kauft man in Galerien, bezahlt man zwar 45 bis 60 Prozent Aufpreis, den der Galerist einstreicht dafür bekommt man im Gegensatz zu einer Kunstauktion (wo die Provision zwischen 10 und 25 Prozent beträgt) aber auch eine Beratung. Erschwinglich geht es bei Großanbietern wie der Galerie Lumas oder der Webseite startyourart.de zu. Auch auf der Affordable Art Fair, die im November in Hamburg stattfindet, darf kein Bild mehr als 7500 Euro kosten. Wer sich nicht festlegen will, hat auch die Möglichkeit, in Kunstfonds zu investieren. Mit dem Geld zahlreicher Anleger werden dort von Experten Kunstwerke gekauft, bei denen eine Wertsteigerung zu erwarten ist. Der Nachteil: Die Kunst schmückt nachher nicht die Wohnung, sondern liegt in einem Banktresor.

Fonds

Wer sein Geld in Aktien anlegen will, aber keine Lust hat, jeden Tag den Wirtschaftsteil der Zeitung durchzuackern, ist vermutlich mit einem Aktienfonds am besten beraten. Bei einem Fonds wird das Geld der Investoren gebündelt und von Managern in verschiedene Aktien investiert. Besonders günstig sind dabei sogenannte Indexfonds. Die bauen 1:1 einen Aktienindex nach beispielsweise den DAX, in dem die 30 größten und umsatzstärksten deutschen Unternehmen gelistet sind. Dadurch kosten sie in der Regel weniger Gebühren als ein individuell gemanagter Fonds, der beispielsweise in bestimmte Branchen investiert oder Aktien aus bestimmen Ländern oder Regionen zusammenfasst. Egal für welche Fonds man sich entscheidet, Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des gemeinnützigen Verbrauchermagazins »Finanztip«, rät: »Anfänger sollten ein Aktienindexfonds wählen da sind die Kaufkosten niedrig und die Verwaltungskosten, die bei normalen Fonds schon mal 2 Prozent betragen, liegen bei nur 0,2 bis 0,5 Prozent pro Jahr.« Wer Aktien oder Aktienfonds kaufen möchte, braucht ein Aktiendepot, das er entweder bei seiner Filialbank oder bei einer Internetdirektbank eröffnen kann. Auch bei der Eröffnung eines Depots lohne der Kostenvergleich, so Tenhagen: »Da gibt es große Gebührenunterschiede und inzwischen Anbieter, bei denen die Depotführung kostenlos ist.«

Hochprozentig anlegen

Statt in seelenlose Finanzprodukte kann man sein Geld auch in schöne Dinge wie Single-Malt-Whiskys stecken. Das erfordert allerdings Disziplin (Profitipp: Leere Flaschen zählen nicht als Investment) und akkurate Lagerung (Raumtemperatur, Schutz vor UV-Licht). Für einen hohen Wiederverkaufswert ist ein makelloser Zustand von Flasche und Etikett entscheidend. Da der Alkohol den Korken angreifen kann, sollten Whiskyflaschen stehend gelagert werden. Das Investment kann sich lohnen. »Zum Ersten muss man eine Flasche gleich beim Erscheinen kaufen. Wenn die Preise erst angefangen haben zu steigen, ist es meist zu spät«, sagt der Horst Lüning, der den größten deutschen Whiskyversand betreibt. »Zum Zweiten muss die Brennerei einen bekannten Namen haben. Macallan, Bowmore, Lagavulin, Port Ellen, Ardbeg …« Der »Whisky Highland Index« im Internet führt auf, welche Marken in der Vergangenheit stark im Wert gestiegen sind. Drittens ist es wichtig, auf einen angemessenen Einstandspreis achten. »Zu billige Flaschen steigen nie im Preis. Zu teure haben die Preissteigerungen schon vorweggenommen«, so Lüning, der das Preissegment zwischen 70 und 200 Euro empfiehlt. Viertes Gebot: Nur Flaschen kaufen, die in einer begrenzten Auflage produziert wurden. Das Schöne an diesem Investment: Wenn die eine oder andere Flasche doch nicht im Wert steigt, kann man sie einfach leer trinken.

Sesshaft werden

Wenn die Zinsen schon so niedrig sind warum das dann nicht nutzen, indem man sich selbst etwas leiht? Einen »billigen« Kredit aufzunehmen und in eine Immobilie zu investieren, scheint naheliegend. Denn bei Immobiliendarlehen liegt der effektive Jahreszins derzeit je nach Summe, Laufzeit und so weiter oft nur zwischen einem und zwei Prozent pro Jahr. Leider ist es aber nicht ganz so einfach. Denn die Zinsen sind ja nicht über Nacht, sondern im Lauf der letzten Jahre gefallen und die Idee mit den Immobilien hatten inzwischen schon einige. »Immobilien sind deswegen inzwischen so hoch bewertet, das lohnt sich nur noch, wenn man sich richtig gut auskennt und viel Zeit investiert«, sagt Anlageprofi Dirk Müller. Anders kann es aussehen, wenn man die Eigentumswohnung nicht als Anlageobjekt sieht, sondern selbst drin wohnen will. Aber auch dann sollte man aufpassen, dass man sich nicht übernimmt. Denn meist werden die Kreditzinsen nur auf fünf oder zehn Jahre festgeschrieben. Komplett abgezahlt hat seine Immobilie in dieser Zeit kaum jemand. Und wenn man für die Restschuld dann einen sogenannten Anschlusskredit aufnehmen muss und die Zinsen zwischendurch womöglich deutlich gestiegen sind, können auch die monatlichen Raten höher ausfallen. Als Grundregel empfehlen Experten: Was man mit höheren Kreditzinsen nicht finanziert hätte, sollte man auch heute nicht auf Pump kaufen.

Genosse werden

In Wohnraum investieren lässt sich auch noch auf einem anderen Weg: Wohnungsbaugenossenschaften. Bei diesen zeichnet man Anteile macht die Genossenschaft einen Gewinn, profitieren auch die Mitglieder. Und wer irgendwann beschließt, die Mitgliedschaft zu kündigen, bekommt seinen Anteil wieder ausbezahlt. Da die Wohnungsbaugenossenschaften untereinander für den Fall haften, dass eine von ihnen pleitegeht, hält sich das Risiko bei dieser Art zu sparen in Grenzen. Eher von Nachteil: Nicht alle Wohnungsbaugenossenschaften bieten diese Art von Sparplänen an, und manchmal ist die Mitgliedschaft regional limitiert dann kann man nur Mitglied werden, wenn man im Einzugsbereich der WBG lebt. Im Detail entscheidet das jede Genossenschaft für sich. Größter Vorteil: Neben der Möglichkeit der Geldanlage bieten WBGs ihren Mitgliedern natürlich vor allem die Möglichkeit, an günstigen Wohnraum zu kommen. Und das ist in Zeiten steigender Mieten ja fast schon wieder unbezahlbar.

Leuten aufs Dach steigen

Manchen ist der Gedanke an eine Eigentumswohnung vielleicht zu, nun ja, spießig. Wenn man trotzdem gerne etwas zum Anfassen hätte, kann man auch in ein Solardach investieren. Noch kein eigenes Dach vorhanden? Kein Problem. Finanzexperte Tenhagen: »Man kann beispielsweise auf dem Dach des elterlichen Hauses eine Solaranlage installieren.« Wer handwerklich geschickt ist, könne die sogar selber aufbauen und so Geld sparen. Auch die Kosten für den Aufbau durch einen Elektriker hielten sich jedoch in Grenzen: »Wichtig ist, dass man einen Großteil des Stroms selbst verbraucht. Denn man kann eine Kilowattstunde heute für 15 Cent erzeugen, beim Stromanbieter bezahlt man um die 27 Cent. Der Rest des erzeugten Stroms wird eingespeist und man bekommt derzeit rund 12 Cent dafür, aber das trägt die Anlage nicht notwendigerweise.«

Zurück zur Natur

Besser angeben als mit einem Solardach auf der elterlichen Doppelhaushälfte kann man sicherlich mit einer Geldanlage in einen Olivenhain. Die Laufzeit für solche physischen Investments beträgt beispielsweise bei 80 bis 120 Jahre alten Olivenbäumen in Andalusien rund zehn Jahre ist also nichts für Wankelmütige. Dafür tut man mit der Geldanlage auch etwas fürs eigene Gewissen. Denn man sichert damit nicht nur biologische Vielfalt und eine »Jahrtausende alte Kulturlandschaft« (so ein Investorenprospekt), sondern auch Arbeitsplätze in Südeuropa.

Ausgeben!

Vielleicht ist es am Ende aber auch müßig, sich den Kopf zu zerbrechen, ob man statt 2,8 Prozent Rendite irgendwo anders 3,5 Prozent bekommt, wenn man nur lange genug sucht und tüftelt. Vielleicht muss man sich damit abfinden, dass Sparen momentan nicht belohnt wird und sein Geld einfach ausgeben. Wenn man es in Erlebnisse steckt, ist das ja auch ein Investment. In die eigene Lebensqualität und die eigenen Erinnerungen. In ein Sparbuch des Glücks denn auf das gibt es immer die besten Zinsen.

PS: Zwei Monatsbudgets trotzdem irgendwo für Notfälle zur Seite legen so viel Vorsicht sollte sein. Ob auf einem Tagesgeldkonto oder unter der Matratze ist dann beinahe egal.

Text: Christoph Koch
Erschienen in: NEON
Foto: Fabian Blank

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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  1. Uli sagt:

    „Weltmarktführer wie Volkswagen werden in den nächsten zehn Jahren nicht pleitegehen.“

    Wer auf Mr. Dax gehört hat, dürfte inzwischen blöd aus der Wäsche kucken…

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