A bis Z: Endlich fit werden – Trainingstipps für Sportmuffel

Written by on 26/04/2010 in Neon with 0 Comments

Der Rücken tut weh, die Wampe muss weg. 26 Tipps, wie wir es schaffen, endlich unseren Hintern hochzukriegen …

Auf geht`s :

Das Wichtigste am sportlichen Engagement ist, dass man es dauerhaft durchhält. Zwei Wochen jeden Tag ans Limit gehen und danach entnervt aufhören, bringt nichts. Zwei Monate auch nicht. Sport muss selbst verständlicher Teil des Alltags werden – oder wie Muskelphilosoph und Fitnesskettengründer Werner Kieser es formuliert: »Wie Zähneputzen – nicht spektakulär, nicht furchtbar vergnüglich, sondern einfach nötig.« Und es stimmt: Die meisten Ausreden, die wir finden, um die Turnschuhe im Schrank zu lassen, sind Argumente, um erst recht loszulegen. Zu müde? Das kommt in der Regel von zu wenig Bewegung. Zu viel Stress in der Arbeit? Geht durch Sport zwar auch nicht weg, aber der Kopf wird frei und die Gedanken kommen mal in andere Bahnen.

Büro:

Minifitnesstipp 1: Statt mit dem Auto oder der U-Bahn wird ab sofort mit dem Fahrrad in die Arbeit oder Uni gefahren. Okay, wenn die Entfernung so groß ist, dass daraus eine Tour-de-France-Etappe wird, ist es auch erlaubt, zwei Stationen früher auszusteigen und diese zu Fuß zu gehen. Hauptsache, die Bewegung auf dem Arbeitsweg wird zur täglichen Gewohnheit.

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Charakterstudie:

Folgende Typen sieht man beim Sport regelmäßig – ganz davon abhängig, wo man ihn treibt:
a) Der McFit-Spanner: Spricht Frauen grundsätzlich an, wenn sie gerade an der Beinpresse sitzen, und lädt sie zu einem Proteinshake an der Bar im »Relaxbereich « ein, während er – nur scheinbar geistesabwesend – seine Brustmuskeln zucken lässt. Sein T-Shirt-Aufdruck lautet: »Certified Boob Inspector«.
b) Der Kieser-Opa: Kommt mit dem Klapprad, trainiert stoisch seinen schmerzenden Rücken, schlüpft danach wieder in die Flechtsandalen aus Kunstleder und macht auf dem Rückweg ein paar Besorgungen bei Aldi. Sein T-Shirt-Aufdruck: »Imkerverband Schleswig-Holstein«.
c) Die Yoga-Süchtige: Legt Wert darauf, keine dieser »achselbehaarten Ökotanten« zu sein, sondern jemand, dem Morgengruß- und Hundefiguren »einfach nur guttun«. Single ist sie aus Leidenschaft, und wie sie früher ohne Erdbeer-Maracuja-Smoothies überleben konnte, weiß sie auch nicht so recht. Ihr T-Shirt-Aufdruck: »2raumwohnung – bleib geschmeidig«.

Durchstarten:

Auch wenn es lästig ist: Nicht sofort mit voller Kraft loslegen, sondern erst einmal zehn Minuten locker joggen. Anschließend Sehnen und Gelenke dehnen, bevor Gewichte gestemmt werden oder man über den Tennisplatz gejagt wird. Morgens unbedingt etwas länger aufwärmen, als wenn man im Lauf des Tages trainiert. In der Früh ist der Körper nämlich besonders verletzungsanfällig.

Entfernung:

Wenn es ein Fitnessstudio sein soll, dann lieber das nehmen, das direkt vor der Haustür liegt und fünf Euro pro Monat teurer ist, als das billige am anderen Ende der Stadt. Denn das Training, zu dem man nie geht, ist am Ende das teuerste.

Fett:

Ein Grund, warum uns Sport weniger >schlank macht, als wir uns wünschen: Es dauert viel länger, zum Beispiel die Kalorien eines einzigen Blaubeermuffins wieder abzutrainieren, als wir denken. Das TIME-Magazin hat ausgerechnet, wie lange eine 30-jährige, siebzig Kilo schwere Frau welche Sportart ausüben muss, um auf die 360 Kalorien des Muffins zu kommen: Inlineskaten (schnell) 21 Minuten, Joggen (8 Stundenkilometer) 33 Minuten, Fahrradfahren (gemütlich): 77 Minuten und Krafttraining mit Gewichten: 115 Minuten. Ganz schön deprimierend.

Gruppenzwang:

Wer weiß, dass er sich allein selten zum Sport aufrafft, tut gut daran, sich einen Trainingspartner zu suchen, mit dem er sich fest verabredet. Andere zu enttäuschen, fällt uns komischerweise oft schwerer, als uns selbst zu enttäuschen. Oder man sucht sich eine Volleyballgruppe (je nach Vorliebe auch Hockey oder Ultimate Frisbee), die sich zweimal pro Woche trifft und sich auf einen verlässt, um komplett zu sein. Endlich hat Gruppenzwang auch was Gutes!

Hunger:

Wer den Tag mit einer Joggingrunde begonnen hat, möchte in der Mittagspause nicht mit Tiefkühlpizza oder Mitnehmsandwiches vom Coffeeshop weitermachen (beides: voller Salz, Fett und Zucker). Drei einfache Rezepte, die schnell fertig sind und garantiert nicht schwer im Magen liegen:

  • Apfel-Möhren-Rohkost: Mohrrübe und Apfel fein reiben und mit zwei Esslöffeln saurer Sahne, etwas Zitronensaft und ein paar Blättern Minze gut verrühren.
  • Schneller Salat: Drei würzige Tomaten, eine halbe Salatgurke oder eine halbe Paprika in Stücke schneiden, eine Dose Thunfisch (ohne Öl) dazu, salzen und pfeffern.
  • Pellkartoffeln: Kartoffeln kochen, Kümmel und Quark dazu – plus ein Spiegelei, wer möchte.

Internet:

Stundenlang vor dem Computer zu sitzen, macht normalerweise das Gegenteil von fit. Auf manchen Websites stehen trotzdem gute Tricks, wie bei stickk.com:

  1. Festlegen, welches sportliche Ziel man im nächsten Jahr erreichen will (Marathon oder einfach »zweimal die Woche zwanzig Bahnen schwimmen«).
  2. Einen sogenannten Referee aus dem Freundeskreis ernennen, der den Trainingsfortschritt überprüft.
  3. Eine Strafe festlegen, falls man das Ziel nicht erreicht (normalerweise ein Geldbetrag, aber effektiver sind oft kompromittierende Fotos, die an alle Freunde gemailt werden, wenn man beim Training einknickt).
  4. Durchhalten – Forscher haben herausgefunden, dass diese Art von »commitment contracts« die Chance verdreifachen, dass wir an unseren Zielen festhalten (>Zigaretten).

Jogging:

Vielleicht die naheliegendste Sportart, wenn man lange gar nichts gemacht hat. Aber es muss nicht immer die beste sein. Wem Laufen partout keinen Spaß macht, und wer vor allem merkt, dass er dabei nicht abschalten kann, sollte Alternativen ausprobieren: Vielleicht gehen die Bahnen im Schwimmbecken schneller vorbei als die Runden im Stadtpark. Vielleicht fällt die Motivation leichter, sobald ein Ball im Spiel ist und es um Gewinnen oder Verlieren geht. Vielleicht muss es etwas leicht Abenteuerliches wie Canyoning sein. Wichtig ist vor allem, dass man sich vorstellen kann, diese Sportart die nächsten Jahre auszuüben – und zwar ohne Aufwand regelmäßig (>Entfernung). Also vielleicht doch eher Joggen als Canyoning.

Kopfhörer:

Dass Musik beim Training motiviert, ist wissenschaftlich erwiesen: Sie hilft, länger und intensiver Sport zu treiben, und lenkt von Ermüdung ab. Dr. Costas Karageorghis, Sportpsychologe der britischen Brunel-Universität, hat herausgefunden, dass Musik mit einem Tempo von 120 bis 140 Beats pro Minute (BPM) am besten funktioniert und unsere Performance um bis zu zwanzig Prozent steigern kann. Musik mit einem durchgängigen Beat eignet sich besser als Free Jazz mit abrupten Tempowechseln. Haile Gebrselassie, der äthiopische Langstreckenläufer, schwört auf den Track »Scatman«, der britische Sprinter Iwan Thomas auf »Firestarter « von The Prodigy.

Leider:

Zählen leider nicht als Sportarten – auch wenn`s schön wäre: Tischfußball, Samstagnachmittag bei IKEA, Leergut wegbringen, Nudelauflauf, wiederholtes und ausdauerndes Kopfschütteln über alberne Junggesellenabschiede.

Mythen:

»Wer viel schwitzt, verbrennt viel Fett.« – Wer nach der Sauna weniger wiegt, hat nur Wasser verloren und sollte schnell viel trinken, um es wieder auszugleichen.
Fett wird am besten durch regelmäßiges Ausdauertraining verbrannt.
»Nur wenn es Muskelkater gibt, hat das Training was gebracht.« – Muskelkater ist eher ein Zeichen dafür, dass man es übertrieben hat.
Und statt der Devise »Noch mal das Gleiche machen, dann geht er weg« lieber ein bisschen Stretching oder leichte Gymnastik, dann ist man schnell wieder fit.

Nebenbei:

Minifitnesstipp 2: Während des Zähneputzens immer wieder langsam auf die Zehenspitzen stellen und wieder absenken. Trainiert die Wadenmuskulatur. Zur Steigerung: Po zusammenkneifen. Übung nur auf einem Bein machen, schult zusätzlich den Gleichgewichtssinn. Hier gilt ebenfalls: Anfangs nicht übertreiben!

Ohne alles:

Auch ohne Fitnessstudio, Geräte und Zubehör kann man etwas für die Fitness tun. Zwei Übungen aus dem Trainingsbuch »Kick Ass – das alternative Workout«, das Franka Potente mit ihrem Trainer Karsten Schellenberg verfasst hat (Mosaik Verlag).
Door Latch: Ein Handtuch um die Klinke einer offenen Tür schlingen und festhalten. Linkes Bein parallel zur Tür stellen und leicht anbeugen. Rechten Fuß über das linke Knie legen und sich langsam durch Strecken der Arme nach hinten sinken lassen. Wenn die Arme gestreckt sind, wieder zur Tür ranziehen. Langsam so oft wiederholen, wie man kann – dann Bein wechseln.
Collar Paddle: Ein Handtuch rollen und an den äußeren Enden fassen, rechten Arm vor, linken nach unten. Das Handtuch auf Spannung halten und den rechten Arm langsam und kraftvoll nach oben, der linke hält dagegen, danach wieder langsam zurück, wie beim Paddeln im Kanu. Wenn die Schultern brennen, Seite wechseln.

Pech:

Da man bei einer Verletzung oft nicht gleich genau sagen kann, ob es nur eine leichte Dehnung oder etwas Ernstes ist, erst einmal die PECH-Regel anwenden:

  • P wie Pause: Körperteil ruhigstellen und untersuchen.
  • E wie Eis auflegen: mindestens eine halbe Stunde, nie direkt auf die Haut legen, nicht bei offenen Wunden.
  • C wie Compression: einen nicht zu festen Druckverband anlegen.
  • H wie hochlagern: lindert oft Schmerzen und verbessert den Rückfluss des Blutes.

Quatsch:

»220 minus Lebensalter ist der Maximalpuls, den man beim Sport erreichen soll.« Diese Formel, die einem früher der Sportlehrer beigebracht hat, gilt nicht mehr, sagt der Hamburger Sportarzt Klaus-Michael Braumann. Als Faustregel für Anfänger kann beispielsweise beim Jogging gelten: Wer sich mit seinem Mitläufer unterhalten kann, ohne aus der Puste zu kommen, hat die richtige Grundgeschwindigkeit. Ab und zu Sprintintervalle einbauen, die einen aus der Puste bringen, ist trotzdem erlaubt.

Ruhepausen:

Gerade wer jahrelang keinen Sport gemacht hat, übertreibt es oft, wenn er »jetzt aber so richtig« loslegt. Jeden Tag bis zur Erschöpfung Joggingkilometer abzuspulen, ist aber eher kontraproduktiv. Ruhig einen Tag Pause zwischen den Trainingseinheiten machen, damit der Körper sich erholen kann.

Schlank:

Sport macht eher klug als dünn. Eine Studie im Magazin »Neurology« ergab, dass Menschen, die mindestens einmal die Woche Sport treiben, im Alter geistig fitter bleiben. Eine andere Studie erforschte, warum wir uns so oft in Turnhallen oder auf Laufbändern quälen und trotzdem keine Kilos verlieren. Ergebnis: Beim Sport werden zwar Kalorien verbrannt, aber oft weniger, als wir uns nachher wieder drauffuttern (durch gesteigerten Appetit oder das Gefühl, es »verdient zu haben«). Der richtige Schlüssel zum Abnehmen ist laut der Studie: bessere Ernährung mit weniger Kalorien.

Treppensteigen:

Egal, ob zu Hause oder im Büro: Aufzüge sind ab sofort tabu. Erstens trifft man dort eh nur den Chef oder die neugierige Pudel-Dame. Zweitens ist Treppensteigen die beste Kurztrainingseinheit, die es gibt. Zeitaufwand gleich null und wenn man zwei Stufen auf einmal nimmt, trotzdem sehr effektiv – ganz nebenbei.

Unkompliziert:

Minifitnesstipp 3: Sport und Privatfernsehen, eine tolle Kombination. In jeder Werbepause auf den Boden legen und Liegestütze oder einen Satz »Crunches« machen: In Rückenlage die Schulterblätter lang sam anheben, in Richtung der angewinkelten Knie ziehen, wieder ablegen.

Vergessen:

Wir »vergessen« gerne mal, dass wir eigentlich noch Sport treiben wollten. Den Abend mit der Playstation oder drei Folgen »Lost« vergessen wir komischerweise nie. Eine visuelle Erinnerung kann helfen, sagt Dr. Paddy Ekkekakis, Sportpsychologe an der Iowa State University – aber nur, wenn wir sie auch wirklich in dem Moment sehen, in dem die Entscheidung fällt. Ekkekakis rät deshalb, zum Beispiel die Pilates-DVDs direkt neben dem Fernseher aufzubewahren oder ein Post-it ans Lenkrad zu kleben, wenn man nach der Arbeit noch zum Kickboxtraining fahren will.

Wasser:

Hände weg von bunten Sportgetränken, die enthalten in der Regel absurd viel Zucker oder unnötigen Fancykram wie Proteine und Aminosäuren. Leitungswasser reicht als Durstlöscher vollkommen aus. Wer mag, kann ein Drittel Apfelsaft dazumischen, dann schmeckt`s nach was und wird vom Körper schneller aufgenommen.

X-Box:

Nintendo Wii war der Anfang, inzwischen haben auch Playstation und XBox Spiele mit bewegungsempfindlichen Controllern auf den Markt gebracht, die es ermöglichen, Golf oder Bowling im Wohnzimmer zu spielen. Zum Abnehmen eignen sich die Sportspiele jedoch nur bedingt: Meist werden gegenüber der realen Sportart nur die Hälfte der Kalorien verbraucht, so die Studie des American Council on Exercise. Wer es trotzdem versuchen will: Die intensivsten Wii- Sportarten sind Boxen und Tennis.

Yoga:

Ballsportarten sind zu wettkampfbetont? Joggen zu langweilig? Dann ist vielleicht Yoga das Richtige. Stärkt Kreislauf und Muskeln, führt zu weniger Stress und Verspannungen und schult die Koordinationsfähigkeit. Wen also der Esotouch nicht stört (>Charakterstudie), findet hier, wenn auch keinen vollwertigen Sportersatz, so doch zumindest eine gute Ergänzung zum Training.

Zigaretten:

Wer beim Fitwerden gleich mit dem Rauchen aufhören will, für den hat Richard Thaler, Autor des Buches »Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt«, folgenden Tipp: »Eröffnen Sie ein Konto, auf das eine Vertrauensperson Zugriff hat. Zahlen Sie ein halbes Jahr lang jede Woche den Betrag ein, den Sie für Zigaretten ausgeben. Wenn Sie nach einem halben Jahr nachweislich immer noch nicht rauchen, händigt Ihnen die Person Ihr Geld aus. Ansonsten wird es einer wohltätigen Organisation gespendet – noch effektiver ist es, wenn Sie sich verpflichten, es der Partei oder dem Fußballverein zu spenden, die Sie am wenigsten leiden können.«

Buch- und DVD-Tipps:

Text & Foto: Christoph Koch
Erschienen in:
NEON

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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